nd-aktuell.de / 23.09.2025 / Sport

Fußball gegen Nazis

Der FC Internationale Berlin leistet Außerordentliches – auf und neben dem Fußballplatz

Johann Caspar Nilius
Während der EM 2024 nutzten Inter-Spieler*innen die offizielle Fanzone, um ihre »No Racism«-Trikots ins rechte Licht zu rücken.
Während der EM 2024 nutzten Inter-Spieler*innen die offizielle Fanzone, um ihre »No Racism«-Trikots ins rechte Licht zu rücken.

Ein Mittwochabend in Berlin-Schöneberg. Die Sonne steht schon etwas tiefer am Himmel, trotzdem spendet sie noch großzügig Licht. Über Pflastersteine geht es auf den Sportplatz[1] am Vorarlberger Damm. Vor einem grau geziegelten Gebäudekomplex mit flachen Dächern steht auf der linken Seite ein Stand, von dem aus eine Mutter Essen an Kinder verteilt. Sie sind gerade mit dem Training[2] fertig geworden. Mit ihren Tellern rennen die Kleinen zu den Bierbänken, die auf der rechten Seite direkt hinter den Zaun gestellt worden waren, der den Vorplatz vom Fußballfeld[3] trennt. Sie lachen, quatschen und schauen zu, was die älteren Jungs auf dem ersten der beiden Felder machen. »Da spielt die C2, 2. Landesklasse[4]«, verrät Julien, einer der beiden Platzwarte. Er trägt einen langen Vollbart und eine Basecap auf dem Kopf. »Gerd Thomas ist noch nicht da, der kommt gleich.«

Thomas ist 1. Vorsitzender [5]des FC Internationale Berlin. In eine gelben Warnweste gekleidet steigt der 65-Jährige bald darauf vom Fahrrad[6]. »Ich komme gleich«, sagt er. Erst muss er alle Anwesenden herzlich begrüßen. Julien drückt ihm ein Paket in die Hand. »Ein nachhaltiges Trikot zu produzieren ist nicht ohne!«, sagt Thomas, während er das Päckchen öffnet, das dunkelblaue Trikot darin inspiziert und sich schließlich auf einer Holzbank niederlässt. Die Sporthemden sind recycelbar, dafür wurde der Verein kürzlich mit dem deutschen Preis für Nachhaltigkeitsprojekte ausgezeichnet. Die Aufschrift »NO RACISM[7]« ziert zudem alle Trikots des Vereins.

Inter gegen rechts

»Das ist natürlich ein ganz klares Bekenntnis gegen Diskriminierung[8], quasi unser zweites Logo«, sagt Thomas. Seit wann genau der Spruch auf dem Trikot steht, wisse im Verein niemand so genau, »aber das gehört zum Mythos dazu«, erklärt er. »Das kam irgendwann in den Neunzigern, infolge der rassistischen Anschläge in Mölln, Hoyerswerda, Solingen und Rostock-Lichtenhagen.« Früher einmal gab es auch Trikots mit der Aufschrift »Inter gegen Rechts«, die sich momentan noch auf einigen Trainingsshirts befindet. Am Spielfeldzaun an der Seite des Platzes proklamiert ein großes Plakat »Fußball gegen Nazis«.

Während er auf seiner Bank sitzt und erzählt, kommen immer wieder neue Menschen vorbei, die Thomas freudig begrüßen. »Das ist Miguel, er hat familiäre Wurzeln in Nicaragua – und ist der letzte nd-Leser!«, scherzt er, als ein junger Mann vorbeikommt. »Der ist auch bei uns im Vorstand«, erklärt er. Insgesamt hat der Verein mehr als 1300 Mitglieder aus über 70 Nationalitäten.

Erfolgreich über den Sport hinaus

Bei allen politischen Bekentnissen – vor allem geht es beim FC Internationale seit der Gründung 1980 um Fußball. Auch Thomas spielt noch in der Ü60 des Vereins. »Wir haben mehr als 50 Teams und natürlich wollen wir lieber gewinnen als verlieren«, erklärt er. Für die C-Jugend auf dem Feld sieht es heute nicht so gut aus, stattdessen bejubeln die Gäste einen Treffer nach dem anderen. Insgesamt spielen jedoch zehn Mannschaften von Inter in den höchsten Berliner Ligen, die 1. und 2. Herren treten in der Landesliga an. »Trotzdem haben wir immer über den Sport hinaus gedacht.«

Die 1. Herren (vorn links Franzisco Bätz) spielt in der Landesliga, der zweithöchsten Berliner Spielklasse.
Die 1. Herren (vorn links Franzisco Bätz) spielt in der Landesliga, der zweithöchsten Berliner Spielklasse.

Als erster deutscher Amateurverein hat der FC Internationale ein Nachhaltigkeitszertifikat erhalten. Bei einer Führung über das Gelände zeigt Thomas zwei Blühinseln, die zwischen den Pflastersteinen angelegt worden sind, auf denen Blumen wild wachsen dürfen und als kleine Oase für Bienen und Schmetterlinge dienen. »Da hinten kommen Insektenhotels hin«, zeigt er in Richtung einer kleinen Wiese. »Aber Nachhaltigkeit ist ja nicht nur ökologisch«, sagt er. Auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeit spielten eine große Rolle, so Thomas. »Wenn wir mit Fair-Trade-Bällen spielen, geht es schließlich um Menschenrechte.«

Stolz präsentierte er den großen Stern des Sports in Gold, den der Klub 2022 für besonderes Engagement für Nachhaltigkeit und Inklusion erhielt. »Im Inklusionsbereich machen wir viel«, sagt Thomas. Mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung (BWB) gibt es eine Kooperation: »Sie trainieren hier, tragen unsere Trikots und auch die Landesmeisterschaften finden hier statt«, sagt er. »Da spielen sie dann als BWB-Inter mit.« Auch mit Geflüchteten-Organisationen habe der Verein oft zusammengearbeitet.

Gedenken an Opfer rechter Gewalt

Der Stern steht in einer Vitrine im Gemeinschaftsraum des Klubs. An der Wand im gleichen Raum klebt ein Zettel, auf dem die Namen und Gesichter der Menschen abgebildet sind, die am 19. Februar 2020 in Hanau aus rassistischen Motiven vom Rechtsextremisten Tobias R. ermordet worden sind. Ivar Gustavus, langjähriger Trainer beim FC Internationale, kommt dazu und erinnert sich, bei einem Spiel in Hohenschönhausen mit den Namen von Opfern rechter Gewalt auf dem Rücken aufgelaufen zu sein.

Wie kommen solche Botschaften bei Gegnern an? »Der Zeitgeist ist, wie er ist, es finden nicht alle gut, was wir da auf der Brust stehen haben«, so Thomas. Gewalterfahrungen habe der Verein – »Toi, toi, toi!« – in den vergangenen Jahren zwar nicht gemacht, verbale Angriffe blieben aber nicht aus, erklärt er. Allgemein werde der Umgangston im Fußball rauer, nicht nur bei Inter. Trotzdem: »Wir hatten in der letzten Saison bei den Oldies zwei Fälle offener Diskriminierung, ich möchte es nicht wiederholen – ekelhaft!«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194221.fussball-steffen-baumgart-als-wiederholungstaeter.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193995.fussball-verena-volkmer-die-bundesliga-verliert-den-anschluss.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193632.fussball-heiliger-ernst-oder-die-wundersame-identifikation-von-fussballfans.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193101.gaza-krieg-fussball-ist-ablenkung-der-fc-karame-und-der-konflikt-in-berlin.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192981.diversitaet-im-fussball-fussball-kann-mehr-kaum-platz-fuer-frauen-im-profifussball.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194205.radsport-zeitfahr-gala-eroeffnet-historische-radsport-wm-in-afrika.html
  7. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193395.fussball-keine-einzelfaelle-im-fussball.html
  8. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192682.interview-mit-kathrin-laengert-respekt-vor-frauen-fehlt.html