Es ist ein seltsames Schauspiel: Während die Klimakrise immer deutlicher die Tür eintritt, macht sich die deutsche Wirtschaftspolitik daran, die Möbel von gestern zu polieren. Wer sich als langjährige Beobachterin der Aufs und Abs der Klima- und Umweltpolitik mit den aktuellen Entwicklungen rund um den neuen Monitoringbericht zur Energiewende sowie dessen Einordnung durch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) befasst, fühlt sich mitunter wie in einem Heimatmuseum: Es geht eher um die Konservierung der Vergangenheit als um den Weg in die Zukunft. Auf diskursiver Ebene klingt erst mal alles gut: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Kostentragfähigkeit – wer sollte diesen Zauberworten widersprechen? Doch hinter diesen wohlklingenden Begriffen verbirgt sich eine bemerkenswerte Rückwärtsgewandtheit: Ausbauziele werden klein gerechnet, der Strombedarf schöngeredet, alte Technologien wie neue Gaskraftwerke und der altbekannte CCS-Überoptimismus aus dem Hut gezaubert, als sei die Lösung der Zukunft eine besonders trickreiche Wiederbelebung der Vergangenheit.
Ironischerweise nennt man das dann »Pragmatismus« oder »Realismus«. Tatsächlich wirkt es eher wie ein Zick-Zack-Kurs, der alle Beteiligten in Verwirrung stürzt. Einerseits sollen die großen Klimaziele – 80 Prozent erneuerbare Energien bis 2030, Klimaneutralität bis 2045 – weiter gelten. Andererseits werden Maßnahmen beschlossen, die diese Ziele geradezu systematisch unterlaufen. Wer Versorgungssicherheit mit fossilen Brücken verwechselt und Zukunftstechnologien mit Risikoszenarien gleichsetzt, braucht sich über schwindendes Vertrauen in die Politik nicht wundern.
Natürlich kann man die Motive nachvollziehen: Niemand möchte Wählerinnen und Wähler mit höheren Strompreisen verprellen, niemand will die Industrie verschrecken, niemand gern auf unsicheres Terrain setzen. Aber während man beharrlich versucht, die Quadratur des Kreises zu vollbringen – Klimaschutz ohne Zumutungen, Transformation ohne Brüche, Fortschritt ohne Risiko –, verrinnt die Zeit. Es entsteht der Eindruck, dass der politische Wille zur Gestaltung weniger von den Herausforderungen der Zukunft getrieben wird als von der Angst, sich in der Gegenwart unbeliebt zu machen.
Zum Thema: Klimaschutz ist out[1] – Fridays for Future protestiert weiter – weil die Politik die Einsparung von klimaschädlichen Emissionen vernachlässigt
So werden Strategien von gestern zu Rezepten für morgen erklärt. Und genau darin liegt die Absurdität: Als könne man mit ein paar zusätzlichen Gasblöcken und dem ewigen Versprechen von CO2-Endlagern die Dynamik einer globalen Transformation aufhalten. Doch während wir uns noch an den alten Heizkörper klammern, wird in anderen Teilen der Welt längst die Wärmepumpe angeschmissen – und zwar mit Solarstrom.
Man könnte lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Denn am Ende bleibt von der politischen Nostalgie weniger Behaglichkeit als vielmehr eine gefährliche Illusion. Die Probleme der Zukunft werden nicht kleiner, wenn man sie mit den Werkzeugen der Vergangenheit bearbeitet. Sie wachsen. Und irgendwann reicht es nicht mehr, die Möbel zu polieren – dann brennt das ganze Haus.