Die Sonne strahlt am kühlen Septembermorgen bis auf den Waldboden im Tegeler Forst hinab. Vor drei Monaten wäre sie noch nicht so weit gekommen. Am 26. Juni verwüstete das Sturmtief »Ziros« den 160 Jahre alten dichten Buchenwald. Einige Orte, wie hier mitten im Forst, hat es so übel erwischt, dass ganze Waldflächen umgeworfen wurden. Das liegt daran, dass die dicht zusammenwachsenden Tegeler Buchen zusammen stabil sind, ohne den Halt der anderen mit ihren kleinen Baumkronen aber nicht. »Fällt eine, fallen alle«, so Felix Weisbrich, Leiter des Referats Forstbetrieb der Berliner Forsten[1], bei einer Pressekonferenz am Dienstagmorgen.
In den vergangenen drei Monaten mussten sich die Berliner Forsten intensiv damit beschäftigen, wie sie mit den Sturmschäden in den Wäldern[2] umgehen, erzählt Weisbrich. Zunächst einmal galt es, die Sicherheit wieder herzustellen: Straßen und Radwege freizuräumen, die Wohngebiete abzusichern und schließlich den Tegeler und den Spandauer Forst wieder als Erholungsgebiete freizugeben. Letzteres konnte schließlich am 19. August geschehen.
Was übrig bleibt, ist das ganze Holz auf dem Waldboden: vom Sturm abgebrochene Äste und ganze Stämme und komplett entwurzelte Bäume. Der Umgang damit sei auch unter den Berliner*innen umstritten, sagt Weisbrich. Die einen wollen alles liegen lassen, damit das Ökosystem des Waldes[3] davon profitieren kann, die anderen wollen alles verwerten, um einen wirtschaftlichen Nutzen zu generieren. Die Berliner Forsten haben sich für den größten Teil der Wälder für die erste Variante entschieden. Mehr als 85 Prozent des Holzes bleibt im Wald. »Zur Strukturanreicherung«, sagt Weisbrich. Als Totholz bietet es einen wichtigen Lebensraum für viele Tiere, es speichert Wasser und es steigert so die Biodiversität des Waldes. Weil das Holz im Zersetzungsprozess überwiegend nass ist, kann es sogar Waldbränden vorbeugen, sagt Weisbrich.
Die Sturmböen, die im Nordwesten Berlins große Waldschäden anrichteten, dauerten gerade einmal zehn Minuten und hinterließen dabei eine Schneise der Zerstörung. Auch wenn das für viele 130 bis 160 Jahre alte Buchen im Tegeler Forst das vorzeitige Lebensende bedeutete, verspricht Weisbrich als Folge des Sturms neue Hoffnung für den Wald. »Der Bestand hier wird sich dramatisch verjüngen.« Neue Bäume hätten nun die Chance, aus den freigefegten Flächen emporzukommen, das Totholz schaffe auch für die neuen Bäume gute Startvoraussetzungen.
Doch ganz darauf verzichten, das Sturmholz noch wirtschaftlich weiterzuverarbeiten, wollten die Berliner Forsten dann doch nicht. Geplant waren etwa 15 Prozent, realistischerweise wird laut Forsten-Direktor Gunnar Heyne ein noch kleinerer Anteil des Holzes aus dem Wald geholt und verkauft. »Die Rohstoffe werden regional genutzt«, sagt Weisbrich. So würden etwa in Malchow daraus Möbel gefertigt. Die Erlöse aus dem Holz fließen direkt in den Berliner Landeshaushalt.
Nachgepflanzt werde nichts im Spandauer und im Tegeler Forst, sagt Weisbrich. junge Bäume kämen von selbst nach, vermutlich würden das überwiegend Buchen sein. Für die Arbeiten im Wald habe man schwere Geräte genutzt, die aber mit breiten Ketten besonders bodenschonend im Wald unterwegs seien. Zwar würde durchaus dort Boden verdichtet werden, wo man Wege zum Befahren mit den Geräten geschaffen habe. »Aber dafür sind wir nicht in der Fläche gefahren«, sagt Weisbrich. Der Waldboden abseits der Wege sei also nicht beschädigt worden.
»Wir haben nicht genug Technik. Wir brauchen zwei große Maschinen.«
Felix Weisbrich Berliner Forsten
Der neue Staatssekretär Andreas Kraus, zuständig für Klimaschutz- und Umwelt unter Senatorin Ute Bonde (CDU), lobt das Vorgehen der Berliner Forsten. Zwar habe sich »Ziros« als eine »Naturkatatstrophe« in den Wäldern dargestellt, doch die Bewältigung der Sturmschäden biete die Chance eines »Reallabors«. »Wir lernen hier für die Zukunft«, so Kraus. Denn ein solches Ereignis habe man bislang noch nicht in Berlin gehabt, »die Schäden sind beispiellos«. Man müsse infolge des Klimawandels aber mit weiteren solchen Ereignissen rechnen und mögliche Umgangsformen austesten. Außerdem müsse man die hier gewonnenen Erkenntnisse anwenden für eine gesamtstädtische Waldstrategie.
Das Vorgehen im Berliner Nordwesten wird von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde wissenschaftlich begleitet und ausgewertet, sagt Weisbrich. Doch einige Erkenntnisse kann er dem Staatssekretär sowie den ebenfalls anwesenden Abgeordneten Linda Vierecke (SPD) und Danny Freymark (CDU) schon jetzt mitgeben. »Wir haben nicht genug Technik. Wir brauchen zwei große Maschinen«, sagt Weisbrich. »Und einen Fällkran«, ergänzt Forsten-Direktor Heyne.
Ob die Abgeordneten und die Senatsumweltverwaltung den Berliner Forsten diese Wünsche erfüllen werden, bleibt angesichts der angespannten Haushaltslage und insbesondere der massiven Einsparungen im Umweltetat abzuwarten. Freymark zeigt sich zuversichtlich: Man könne die Anschaffungen ja vielleicht vom Verkehrsetat bezahlen, es gehe schließlich um Fahrzeuge. Vierecke wiederum schimpft über die Einsparungen im Senats-Haushaltsentwurf für 2026/2027. »Der Senat hat nicht verstanden, dass wir eine Klimakrise haben. Wenn da kein Umdenken passiert, dann wird es schwierig«, sagt die SPD-Politikerin.