nd-aktuell.de / 24.09.2025 / Kultur

Haus der Langeweile: »Milliardärsbunker«

Der Milliardär hat’s schwer – im goldenen Atombunker und in einer neuen schwachen Netflix-Serie

Florian Schmid
Es macht keinen Spaß, einen Atomkrieg zu überleben: Milliardäre in der Dauerkrise
Es macht keinen Spaß, einen Atomkrieg zu überleben: Milliardäre in der Dauerkrise

Für Superreiche ist ein drohender Weltuntergang eine regelrechte Obsession. Viele Tech-Milliardäre bauen irgendwo an entlegenen Orten ihre Bunker, um einen möglichen Atomkrieg oder eine Umwelthavarie zu überstehen. Der Milliardär Peter Thiel (PayPal, Palantir), der Demokratie als Staatsform ablehnt, liegt beispielsweise seit Jahren im Streit mit neuseeländischen Umweltschutzorganisationen, die den Bau seines luxuriösen Zufluchtsortes aus ökologischen Gründen verhindern wollen.

Auch in der Kulturindustrie boomt das Endzeit-Narrativ seit Langem. In Serien wie »Fallout« oder »Silo« ist das postapokalyptische Leben im Bunker Thema. In Douglas Rushkoffs Bestseller »Survival of the Richest«[1] wird das wahnhafte Mindset der superreichen Eskapisten untersucht, in Naomi Aldermans Roman »The Future«[2] von einigen Tech-Milliardären erzählt, die auf einer abgelegenen Insel im Südpazifik der Meinung sind, dass der Rest des Planeten in Schutt und Asche liege. Dabei wurde die Apokalypse für sie nur inszeniert. Menschen aus ihrem Umfeld verwalten ihr Geld und finanzieren damit soziale und ökologische Projekte.

Ganz ähnlich passiert das auch in der neuen Netflix-Serie »Milliardärsbunker«, wo einige Superreiche mit ihrem Anhang in einen 300 Meter unter der Erde liegenden Luxus-Bunkerkomplex fliehen, um den vermeintlich beginnenden Atomkrieg zu überleben, während andere sich ihrer Besitztümer bemächtigen.

Bei Netflix dürften an das Projekt hohe Erwartungen gestellt worden sein, stammt der in Spanien produzierte Achtteiler doch von Álex Pina und Esther Martínez Lobato, den Machern der Erfolgsserie »Haus des Geldes«[3]. Umso ernüchternder ist dann leider das Ergebnis. Trotz aufwendiger Produktion, die optisch durchaus an die Trend-Serien der jüngsten Zeit anknüpft (stylische Overalls und Vintage-Futurismus), bietet die Serie dramaturgisch nicht mehr als eine müde Seifenoper, in der es recht oberflächlich um Konkurrenz, Begehren, Eifersucht und den Machtkampf zwischen zwei angeblich befreundeten, eigentlich aber zutiefst verfeindeten Familien geht.

Diese stecken im titelgebenden Bunker fest und gehen davon aus, dass draußen der Atomkrieg tobt, während sie in Wirklichkeit im goldenen Käfig gefangen sind. Die Betreiber der Bunkeranlage machen sich derweil an ihre Milliarden ran, die sie sich mittels KI-Technologie in komplizierten Coups aneignen, was durchaus spannend ist. Das wäre eigentlich ein Top-Serienstoff, geht aber trotz eines in Spanien bekannten Staraufgebots an Schauspielern in einer lahmen Telenovela unter.

In Sachen Science-Fiction ist das nicht der erste Fehlgriff bei Netflix in jüngster Zeit. Neben Zack Snyders faden »Rebel Moon«-Filmen, der komplett gefloppten Adaption von Simon Stalenhags »Electric State« und der Anfang des Jahres breit beworbenen deutschen KI-Serie »Cassandra«, die bei Publikum wie Kritikern durchfiel, reiht sich nun auch »Milliardärsbunker« ein.

Und das liegt überhaupt nicht am Thema. Mit welcher Ignoranz sich Superreiche am Rande einer globalen Havarie benehmen und dann gegenseitig an die Gurgel gehen, zeigte unlängst der HBO-Streifen »Mountainhead«, angelehnt an Ayn Rand[4]s reaktionären Alltime-Bestseller »Fountainhead«. Angesichts der jüngsten Ambitionen von David Ellison, dem Sohn von Tech-Milliardär und Trump-Kumpel Larry Ellison, nach Paramount nun auch Warner Bros. und damit HBO zu kaufen, wirkt das wie angewandter Realismus.

Im Kampf um Meinungsfreiheit gegen die MAGA-Bande steht das kritische Potenzial der Streaming-Industrie im Qualitätsfernsehsegment womöglich bald auf dem Prüfstand. In »Milliardärsbunker« reicht es dann gerade mal dafür, dass Hauptdarstellerin Miren Ibarguren als kriminelles Mastermind den altbackenen, von Thomas Hobbes bei Plautus ausgeliehenen Satz »Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf« zum Besten gibt.

Solche Plattitüden werden in schicken Interieurs inklusive unterirdischem Zen-Garten in Szene gesetzt. Dort ist jede Menge heteronormatives Begehren inklusive einer homöopathischen Prise SM-Erotik zu besichtigen. Es geht um Manipulation und Autoritarismus und immer wieder um Männer, die sich gegenseitig aufs Maul hauen.

Warum gerade die hochpreisige Science-Fiction-Sparte bei Netflix so schlecht funktioniert, ist unklar. Die zeitgleich gestartete Serie »Black Rabbit« über zwei ungleiche New Yorker Brüder (Jude Law und Jason Bateman), ehemalige lokale Punkmusik-Größen, die in eine subkulturell geprägte High-End-Club-Gastronomie investieren und dabei Schiffbruch erleiden, ist übrigens großartig.

»Milliardärsbunker« – auf Netflix

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189376.literatur-annotiert-gelesen-n-dabei-gewesen.html?sstr=rushkoff
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183510.roman-the-future-fluchtpunkt-fuer-superreiche.html?sstr=naomi|alderman
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1136275.haus-des-geldes-zeit-ist-geld.html?sstr=haus|des|geldes
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1161892.ayn-rand-marktgesellschaft-und-uebermensch.html?sstr=ayn|rand