nd-aktuell.de / 24.09.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Handel in unbekanntem Gewässer

Globale Konflikte treiben Preise im Seehandel, importabhängige Entwicklungsländer besonders belastet

Felix Sassmannshausen
Reedereien haben wirtschaftlichen Auftrieb, während vor allem importabhängige Entwicklungsländer den Preis für die neuen Handelskonflikte und Kriege zahlen.
Reedereien haben wirtschaftlichen Auftrieb, während vor allem importabhängige Entwicklungsländer den Preis für die neuen Handelskonflikte und Kriege zahlen.

»Seit der Schließung des Suezkanals 1967 hat keine Störung die globalen Handelswege so nachhaltig beeinträchtigt, wie wir sie derzeit beobachten.« Mit diesen Worten leitet Rebeca Grynspan, Generalsekretärin der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD)[1], den neuen Jahresbericht zum maritimen Handel ein, der am Mittwoch vorgestellt wurde. UNCTAD gehören über 190 Staaten an, sie fördert die Integration von Entwicklungsländern in die Weltwirtschaft.

Zunehmende geopolitische Instabilitäten, besonders die Spannungen im Roten Meer, führen zu Umleitungen des Schiffsverkehrs. »Sie verändern die globalen Handelsmuster grundlegend«, heißt es im Bericht. Der Suezkanal arbeitet deutlich unter seiner Kapazität[2]. Die transportierte Ladung lag bis Mai 2025 etwa 70 Prozent unter dem Durchschnitt von 2023.

»Die Frachtkosten müssen gesenkt werden, weil sie die Nahrungssicherheit in Entwicklungsländern bedrohen.«

Regina Asariotis UNCTAD

Diese Umleitungen verlängern die Transportdistanzen drastisch: Schiffe, die das Rote Meer in wenigen Tagen durchquerten, umfahren nun wochenlang das Kap der Guten Hoffnung. Die durchschnittliche Reiseentfernung stieg von 4831 Meilen 2018 auf 5245 Meilen im Jahr 2024. Der Bürgerkrieg im Jemen und die Houthi-Miliz setzen kritische Seeverkehrsengpässe wie die Straße von Hormuz unter Druck,[3] wo etwa 34 Prozent der weltweiten Ölexporte gehandelt werden. »Entfernung ist nicht mehr nur eine Frage der Geografie, sondern auch der Geoökonomie«, betont Grynspan.

Die Unsicherheit spiegelt sich direkt in den Märkten wider. Extrem schwankende Frachtraten werden zur Normalität, stellt UNCTAD fest. Im Jahr 2024 lag der führende Index für Containerfracht SCFI im Durchschnitt 149 Prozent über dem von 2023. Container-Raten erreichten Mitte 2024 fast die Höchststände der Corona-Pandemie. Durch die Schocks in den Lieferketten waren die Frachtraten in der Covid-Krise teilweise um das Zehnfache angestiegen.

Solche enormen Kostenschwankungen treffen insbesondere importabhängige Entwicklungsländer hart. Teils fielen die Frachtkosten innerhalb weniger Wochen bis zu dreimal höher aus als der weltweite Durchschnitt. Dadurch sehen primär kleine Entwicklungsinselstaaten ihre Importkosten in die Höhe schnellen, während ihre Wettbewerbsfähigkeit im Exportbereich sinkt.

Welche Folgen der Handelskonflikt zwischen den USA und China auf die Preise haben wird, ist nicht absehbar. Sicher ist nur, dass hohe US-Zölle auf chinesische Produkte den Warenverkehr auf den Weltmeeren umleiten werden.

Nach Rekordumsätzen in der Corona-Pandemie pendeln sich die Profite der großen Reedereien auf hohem Niveau ein, wie aus den Geschäftsberichten der Konzerne hervorgeht. Maersk etwa erzielte im Jahr 2024 einen Vorsteuergewinn von knapp 5,5 Milliarden Euro, das drittbeste Jahr der Firmengeschichte. Die chinesische Reederei Cosco steigerte den Gewinn vor Steuern sogar um fast 100 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 8,7 Milliarden Euro.

Wenn die Frachtraten steigen, sei das zwar gut für die Reedereien, erklärt Regina Asariotis, Chefin der Abteilung für Handelslogistik auf nd-Nachfrage. »Aber die Frachtkosten müssen gesenkt werden, weil sie die Nahrungssicherheit in Entwicklungsländern bedrohen«, unterstreicht sie.

Ein Teil der Einnahmen fließt in die ökologische Transformation des Sektors. Die Reedereien investieren in neue Flotten und Digitalisierung, wobei die Dekarbonisierung im Mittelpunkt steht. Schiffe mit alternativen Kraftstoffantrieben machen mehr als die Hälfte der Neubestellungen aus. Dazu zählen Technologien auf Basis von Ammoniak, Wasserstoff oder Flüssigerdgas. Vor allem grünes Methanol gilt laut der Umweltschutzorganisation Greenpeace als Schlüssel zur klimaneutralen Schifffahrt. Derzeit sind aber die Produktionskapazitäten dafür minimal.

Hintergrund ist das Netto-Null-Rahmenabkommen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), das die Modernisierung der Flotten vorsieht. Das Abkommen soll im Oktober formal angenommen werden und 2027 in Kraft treten. Neben einer Senkung von Treibhausgasemissionen sind darin ein globaler Kraftstoffstandard sowie ein Mechanismus zur CO2-Bepreisung und Emissionshandel geregelt. Die USA lehnen das Abkommen ab.

Mit der Einführung der neuen Kraftstoffe und der Digitalisierung der Hafeninfrastruktur müssen auch die globalen rechtlichen Rahmenbedingungen überarbeitet werden. Zudem müssen verbindliche Vorgaben für das klimaschonende Recycling alter Schiffe umgesetzt werden. Dafür braucht es mehr, nicht weniger Koordination, erklärt UNCTAD-Chefin Grynspan. »Der Sektor wird sich anpassen. Die Frage ist, ob diese Anpassung kontrolliert oder chaotisch sein wird und ob sie nachhaltig ist oder lediglich zum Überleben reicht.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1170839.welthandels-und-entwicklungskonferenz-mit-diesen-maerkten-koennen-wir-nicht-leben.html?sstr=unctad
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1190829.suezkanal-tax-americana.html?sstr=Suezkanal
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189983.naher-osten-jemen-peking-versucht-sich-als-vermittler.html?sstr=Suezkanal