Sascha Mielke ist 46 Jahre alt und kommt aus Berlin. Da arbeitet er noch immer als Kriminalpolizist. Obwohl er noch nicht so lange in Oranienburg wohnt, würde er gern Bürgermeister dieser Stadt werden. Die Wahl ist am Sonntag. Zahlreiche Schüler beteiligen sich am Mittwoch bereits an einer Testwahl in der Orangerie des Schlossparks. Der Jugendbeirat von Oranienburg hat sie dorthin eingeladen, den Bürgermeisterkandidaten Fragen zu stellen. Kandidat Sascha Mielke ist nicht gekommen. Er zog sich eine Beinverletzung zu und lässt sich entschuldigen.
Die Testwahl wird erst noch ausgezählt. Die Schüler hier, die 16 Jahre und älter sind, können es sich bis Sonntag auch noch überlegen, wen sie bei der richtigen Wahl ankreuzen. Drei Frauen und vier Männer bewerben sich um den Posten des Rathauschefs, der sein Büro nicht weit von der Orangerie im Schloss von Oranienburg hat.
Unter den Kandidaten ist Bürgermeister Alexander Laesicke, wie Sascha Mielke parteilos und ebenfalls 46 Jahre alt, aber in Oranienburg schon in den Kindergarten gegangen und auch zur Schule. Seit 2018 ist Laesicke Bürgermeister und würde gern eine zweite Amtszeit von noch einmal acht Jahren dranhängen. Er hat früher in verschiedenen Jobs gearbeitet, zuletzt bei der Deutschen Bahn. Aber Bürgermeister sein, »das ist das, was ich immer wollte«, sagt er.
Laesicke ist ein Mann mit politisch korrekten Ansichten, der bei einer Gegendemonstration zur Stelle war, als der Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke auf dem Schlossplatz auftrat. Aber oft formuliert Laesicke seine Gedanken etwas unbeholfen und hemdsärmelig, sagt den Schülern in der Orangerie am Mittwoch beispielsweise auf seine eigenwillige Art, dass es ihn ärgere, wenn Klimaschutz als »Gedöns« abgetan werde. Irgendwie macht es ihn sympathisch, dass er so ist, wie er ist. Aber andererseits nährt es auch die schon immer bestehenden Zweifel, ob Laesicke der Richtige sei, Oranienburg in nicht einfach werdenden Zeiten zu führen.
Es seien da »dicke Bretter zu bohren«, alles noch finanziert zu bekommen »in der Haushaltssituation, in der wir jetzt sind«, beschreibt Kandidatin Stefanie Rose[1] (Linke) die Herausforderungen. »Dass Oranienburg in die Schlagzeilen gerät, weil vielleicht nicht genug Strom für neue Wohnungen und Unternehmen bereitsteht oder der Haushalt viel zu spät verabschiedet wird, so etwas darf sich nicht wiederholen«, steht in Roses Wahlkampflyer. »Bürgermeisterin zu sein, heißt mehr, als Grundsteine zu legen und Grußworte zu halten. Es bedeutet, jeden Tag hart daran zu arbeiten, dass sich die Dinge positiv entwickeln.«
Die Bezeichnung Bürgermeister und der Name Laesicke sind in Oranienburg eine feste Verbindung eingegangen. Vor Alexander war sein Vater Hans-Joachim Laesicke (SPD) seit 1993 Bürgermeister der Stadt. Der Senior hat sich selbst volkstümlich »Hansi« genannt. Jetzt steht bei seinem Sohn »Alex« auf dem Wahlplakat und dazu: »Oranienburg ist schön geworden. Das haben wir gemeinsam geschafft.«
Vor allem aber ist die Stadt im Berliner Speckgürtel stark gewachsen. 1990 zählte sie gerade einmal 20 000 Einwohner, inzwischen sind es mehr als 50 000[2]. Damit ist Oranienburg die mittlerweile fünftgrößte Stadt im Land Brandenburg. Sie wird wahrscheinlich weiteren Zuzug erleben, weil in Berlin Wohnungsnot herrscht und hier noch etwas Platz für Neubau ist. Aber das hat Folgen für die Kommune. Das Klärwerk stößt bald an seine Grenzen, beim Umspannwerk ist es bereits so weit. Das Stichwort »Wachstumsschmerzen« fällt immer wieder. »Grundschulen und Kitas müssen so schnell wie möglich fertig werden und der Blick auf Kinderzahlen muss immer geschärft sein«, sagt Kandidatin Rose.
Ob Oranienburg wirklich so schön geworden ist, wie Alexander Laesicke meint, und ob es nicht zumindest schöner sein könnte? »Mir gefällt der Bahnhof überhaupt nicht, der Schlossplatz noch viel weniger«, gesteht SPD-Kandidatin Jennifer Collin-Feeder. Sie ist 40 Jahre alt und in Oranienburg aufgewachsen und wohnhaft, aber im Moment stellvertretende Bürgermeiserin in Velten. »Fraktionssitzungen und Ausschusssitzungen sind manchmal unsexy und nicht jugendgerecht«, erzählt sie in der Orangerie. Es wäre ihr wichtig, dass Kinder und Jugendliche zu Bauprojekten verbindlich befragt werden. In Velten habe die junge Generation eine Skateranlage bekommen, obwohl »rechte Kräfte« dagegen gewesen seien, berichtet Collin-Feeder. Sie hat früher für die Landesregierung gearbeitet, unter anderem an der Umsetzung des Handlungskonzepts »Tolerantes Brandenburg«.
Die 42 Jahre alte Stefanie Rose ist im Straßenwahlkampf für viel jünger gehalten worden, als sie tatsächlich ist. »Das Kind kann man doch nicht wählen«, soll jemand gesagt haben, berichten ihre Genossen von der Linken. Aber Rose ist kein Kind, sondern hat selbst drei. Die älteste von zwei Töchtern ist 14 Jahre alt, der kleine Sohn vier Jahre. Mutter Stefanie Rose arbeitet bereits seit 2018 in der Stadtverwaltung. Sie ist dort Dezernentin für Bürgerdienste[3] und kommt bei den Bürgern gut an. Sie ist von einigen gefragt worden, ob sie nicht aus der Linken austreten wolle. Denn dann hätte sie bei der Bürgermeisterwahl noch bessere Karten. Parteilose Bewerber sind bei solchen Wahlen inzwischen im Vorteil. Aber das kommt für Stefanie Rose nicht in Frage. Sie steht zu ihrer politischen Überzeugung. Bis 2018 war sie Wahlkreismitarbeiterin der damaligen Landtagsabgeordneten Gerrit Große (Linke). Rose hat nichtsdestotrotz keine Klientelpolitik im Sinn. Ihr Wahlkampfslogan lautet: »Eine Rose für alle.«
Parteiloser Kandidat ist der Unternehmer Heiko Zillmann, wird aber von der CDU unterstützt. »Meiner Meinung nach sollte man mehr für die Jugend machen«, sagt er. Mit Jahrgang 1969 ist Zillmann der älteste Kandidat. Die jüngste ist mit 39 Jahren Anja Waschkau (AfD), nach eigener Auskunft als Managerin bei einem »internationalen Großkonzern« tätig.
Nach fast zwei Stunden ist die Gesprächsrunde in der Orangerie gegen 14 Uhr vorbei. Während die Mitbewerber bereits gegangen sind, unterhält sich Stefanie Rose angeregt mit einigen Jugendlichen.
Etwa zeitgleich wuchtet ihr Kreisvorsitzender Candy Boldt-Händel an der Bernauer Straße eine Flasche mit Helium in sein knallrotes Auto. Mit dem Helium füllten die Genossen an einem Wahlkampfstand Luftballons. Jetzt machen sie Schluss. Drüben auf der anderen Seite der Straße scheint die Sonne. Hier im Schatten der Häuserfront ist es empfindlich kalt. Aber die Passanten reagieren nicht frostig. Unfreundlich wird selten jemand. Pöbeleien und das Zerstören von Wahlplakaten wie bei der Landtagswahl 2024 habe es jetzt kaum gegeben, weiß Schatzmeister Ralf Wunderlich.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194288.buergermeisterwahl-eine-rose-fuer-oranienburg.html