Es ist 80 Jahre her. Am 25. Juli 1945 sei nur vier Kilometer Luftlinie entfernt eine »grausame Entscheidung« gefällt worden, sagt BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders am Donnerstag im brandenburgischen Landtag. US-Präsident Harry S. Truman war seinerzeit während der Potsdamer Konferenz[1] in einer Villa in Babelsberg untergebracht und genehmigte von dort aus den Abwurf der Atombomben auf zwei japanische Städte. Hiroshima traf es am 6. August 1945, Nagasaki drei Tage später. Die noch Jahre später an Strahlenkrankheiten verstorbenen Menschen eingerechnet, beläuft sich die Zahl der Opfer für Hiroshima auf 344 306, die für Nagasaki auf 198 785.
Dabei sei Japan faktisch schon besiegt, seine Kriegsmarine ausgeschaltet gewesen, erinnert Lüders. Der Einsatz von Atomwaffen sei »militärisch vollkommen unnötig« gewesen. Der BSW-Politiker sagt das in einer Landtagsdebatte, in der kommunale Bemühungen um eine atomwaffenfreie Welt gewürdigt werden, darunter das internationale Netzwerk der Bürgermeister für den Frieden. 51 Bürgermeister aus Brandenburg gehören dazu. Heute sei oft zu hören, dass der Iran keine Atomwaffen haben sollte und Nordkorea seine Atomraketen besser nicht weiterentwickeln würde, sagt Lüders. »Wir teilen diese Sorge ausdrücklich.« Doch Abrüstung sei keine Einbahnstraße. »Deshalb sagen wir vom Bündnis Sahra Wagenknecht: Wir wollen keine US-Waffen auf deutschem Boden[2]. Lassen sie uns Deutschland nicht länger zur Zielscheibe machen. Die Bundesrepublik soll endlich den Atomwaffenverbotsvertrag[3] unterzeichnen.«
Finanzminister Robert Crumbach (BSW) ergänzt: »Der Begriff ›nukleare Teilhabe‹ ist für mich ein guter Kandidat für das Unwort des Jahrtausends. Die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes von Atomwaffen hat ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht.« Rund 12 500 Atomsprengköpfe gebe es weltweit. Fast 3800 seien sofort einsetzbar. Geschätzt 2000 seien in ständiger Alarmbereitschaft und könnten ihr Ziel in wenigen Minuten treffen und die Welt zerstören.
Crumbachs Kritik an der verharmlosenden Bezeichnung »nukleare Teilhabe« will die oppositionelle CDU so nicht stehen lassen. Nukleare Teilhabe bedeute schließlich, dass die Bundesrepublik auf eigene Atomraketen verzichte, aber durch Atomwaffen ihrer Verbündeten USA, Frankreich und Großbritannien geschützt sei. »Unverzichtbar« nennt der CDU-Abgeordnete Danny Eichelbaum deren abschreckende Wirkung. Er beteuert zwar: »Uns eint alle der Wunsch nach einer friedlichen, atomwaffenfreien Welt.« Doch der Atomwaffenverbotsvertrag sei ein »stumpfes Schwert«, da ihn keine Atommacht unterzeichnen wolle, auch nicht Deutschland, Australien und 35 andere Staaten. »Sie fühlen sich bedroht von Russland, China und Nordkorea.«
SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann bezeichnet seine eigene Partei als die »älteste Friedenspartei Deutschlands«. Die Bewilligung der Kredite für den Ersten Weltkrieg durch die SPD-Reichstagsfraktion, der sich nur einzelne Abgeordnete wie zuerst Karl Liebknecht und später auch Hugo Haase und andere verweigerten, lässt Lüttmann geflissentlich unerwähnt. Die Burgfriedenspolitik der SPD gegenüber Kaiser Wilhelm II. ist eine Tatsache, die schlecht passt zur Selbstbezeichnung als älteste Friedenspartei Deutschlands.
Lüttmann beginnt seine Aufzählung von »Meilensteinen« mit der Entspannungspolitik, die Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) 1970 startete und erwähnt auch Kanzler Gerhard Schröder (SPD), der 2003 Nein sagte zur Beteiligung von Bundeswehrsoldaten am Irakkrieg. Für friedenssichernd hält Lüttmann darüber hinaus aber auch das Bekenntnis von Kanzler Helmut Schmidt (SPD) zum Nato-Doppelbeschluss von 1979, der zur Stationierung von US-Mittelstreckenraketen des Typs Pershing II in der Bundesrepublik führte (»Frieden durch Abschreckung«), und die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) 2022 eingeleitete Aufrüstung der Bundeswehr (»Friedenssicherung durch Stärke«).
»Der Begriff ›nukleare Teilhabe‹ ist für mich ein guter Kandidat für das Unwort des Jahrtausends.«
Robert Crumbach BSW-Finanzminister
Angesichts der Stationierung der Pershing-Raketen habe die Friedensbewegung in den 80er Jahren zusammengestanden, lobt der Landtagsabgeordnete Lars Hünich (AfD)[4]. Konservative und Linke seien damals gemeinsam auf die Straße gegangen, »weil sie verstanden hatten: Es ging ums Überleben.«
An einer Friedenskundgebung im Bonner Hofgarten 1983 beteiligten sich mehr als eine halbe Million Menschen. Und heute? Selbst wenn bereits Drohnen über Polen abgeschossen werden, halte sich die Linke von der AfD fern, um sich nicht dem Vorwurf der »Kontaktschuld« auszusetzen, bemängelt Hünich. »Dabei steht der Feind im eigenen Land.« Politiker müssten seiner Meinung nach zurücktreten, »wenn ihnen außer Krieg nichts mehr einfällt«.
Das BSW nimmt Hünich von seiner Kritik an allen anderen Parteien ausdrücklich aus, obwohl diese an zwei Landesregierungen in Brandenburg und Thüringen beteiligt sei. Hünich sagt den BSW-Abgeordneten allerdings voraus: »Es wird der Tag kommen, wo Sie sich entscheiden müssen: Sind Sie für Frieden oder sind sie der Steigbügelhalter von Technokraten?«
Als »Meinungsklamauk auf Stammtischniveau« bezeichnet der CDU-Abgeordnete Steeven Bretz diese Rede von Hünich. SPD-Fraktionschef Lüttmann sagt, dass Rechtspopulisten auf Abschottung setzen, die Kriegsgefahr jedoch wachse, je nationalistischer Staaten werden. Lüttmann schmerzt es, wenn Brandenburger in ihrem Garten eine Friedensfahne hissen, aber die AfD wählen.
Derweil entscheidet sich das BSW, einem »Deutschland als Friedensmacht« betitelten Antrag der AfD nicht zuzustimmen. Die AfD sei im Kampf um den Frieden »kein verlässlicher Partner«, heißt es zur Begründung.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194310.frieden-den-atomkrieg-befohlen.html