nd-aktuell.de / 25.09.2025 / Politik

Winter der sozialen Kälte

Haushaltsdebatte: Beim Grundrecht auf Wohnen dürfte die schwarz-rote Koalition genauso versagen wie die Vorgängerregierung

Jana Frielinghaus
»Bauwende« dringend erwartet – Notunterkunft für Wohnungslose in Leipzig
»Bauwende« dringend erwartet – Notunterkunft für Wohnungslose in Leipzig

Die Grünen-Abgeordnete Hanna Steinmüller[1] bekam diese Woche dadurch erhebliche mediale Aufmerksamkeit, dass sie als Erstes Mitglied seit Bestehen des Bundestages mit ihrem wenige Monate alten Kind ans Rednerpult trat. Worüber Steinmüller sprach, war in den Berichten darüber, dass sie »Geschichte geschrieben« habe, kein Thema. Dabei redete sie zu ebenso brisanten wie von der Bundespolitik weiterhin eher vernachlässigten Themen: sozialer Wohnungsbau, Mietenpolitik und den dafür vorgesehenen Mitteln im Bundeshaushalt 2026.

Steinmüller stellte fest, dass für viele von der Bundesregierung angekündigte Vorhaben gar keine Mittel vorgesehen sind.

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Steinmüller stellte fest, dass für viele von der Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigte Vorhaben im Etat für das kommende Jahr gar keine Mittel vorgesehen sind. So zum Beispiel für »Umbau im Bestand«: Statt Menschen zu helfen, ihre Wohnung zum Beispiel altersgerecht umzubauen, habe die Koalition ein existierendes Förderprogramm dafür »eingestampft«, konstatierte die 32-Jährige, die sich seit Langem auf dem Gebiet des Wohnungsbaus engagiert.

Eine Anfrage zum vollmundig angekündigten Programm »Junges Wohnen« und »WG-Garantie« für Azubis und Studierende habe ergeben, dass dieses erst im Jahr 2027 starten soll, berichtete Steinmüller. Dies ist umso brisanter, als gerade in diesen Tagen die aktuelle Statistik zu den Kosten für Zimmer in Wohngemeinschaften veröffentlicht wurde. Demnach liegt der Durchschnitt bei 500, in Berlin sogar bei 630 Euro monatlich, während der staatliche Zuschuss fürs Wohnen bei anspruchsberechtigten Studierenden maximal 380 Euro beträgt. Das Fazit von Steinmüller: »Reden ist Silber, Haushaltstitel sind Gold.« In diesem Sinne hoffe sie darauf, dass die Regierungskoalition den Ankündigungen Taten in der Fiskalplanung folgen lasse.

Dass die Regierung die soziale Frage unserer Zeit, wozu bezahlbares Wohnen hierzulande längst geworden ist, kaum angemessen in Angriff nehmen will, zeigt schon die bescheidene Größe des Einzelplans 25 für das Haus von Verena Hubertz (SPD). Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen stellte dies zwar anders dar, doch in ihrem Kernhaushalt sind lediglich 7,6 Milliarden Euro enthalten. Zum Vergleich: Allein für die Unterstützungsleistungen für die Ukraine sind im kommenden Jahr neun Milliarden Euro vorgesehen, für den Kernhaushalt des Verteidigungsministeriums gewaltige 82,7 Milliarden. Dazu kommen bei letzterem 25 Milliarden aus Sondertöpfen.

Hubertz und andere SPD-Politiker priesen in der Haushaltsberatung gleichwohl die Fokussierung auf den sozialen und klimafreundlichen Wohnungsbau, und dass dafür auch Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität vorgesehen seien. Im sozialen Wohnungsbau sollen 2026 allerdings Bundesmittel in Höhe von lediglich 2,65 Milliarden Euro »ausgabenwirksam werden«.

Demgegenüber machten unter anderem Lisa Paus (Grüne) und Caren Lay (Linke) darauf aufmerksam, dass jedes Jahr Tausende Wohnungen aus der Sozialbindung fallen und dass diese Verluste auch durch die geplante Aufstockung der Mittel für sozialen Wohnungsbau bei Weitem nicht aufgefangen werden. Paus erinnerte daran, dass die Angebotsmieten allein in den vergangenen zweieinhalb Jahren noch einmal um 42 Prozent gestiegen seien. Deshalb seien Maßnahmen gegen Mietwucher wie regionale Mietenstopps dringend erforderlich.

Lay forderte, es müsse »endlich gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung«. Das erreiche man nur mit einer neuen Gemeinnützigkeit, also Bauprogrammen in öffentlicher Hand. Die Politikerin erinnerte daran, dass das Verbändebündnis soziales Wohnen die Bereitstellung von 20 Milliarden Euro jährlich durch den Bund für die Schaffung bezahlbarer Unterkünfte gefordert hat. Zudem, so Lay, brauche es endlich einen »bundesweiten Mietendeckel und staatliche Verfolgung von Mietwucher«, denn sonst werde letzterer mit dem Wohngeld für Haushalte mit geringem Einkommen weiter subventioniert. Als Beitrag des Bundes für die paritätische Finanzierung des Wohngeldes sind 2026 Ausgaben in Höhe von rund 2,27 Milliarden Euro vorgesehen.

Lays Fraktionskollegin Katalin Gennburg forderte eine »Bauwende statt Fortsetzung der Betonpolitik«. Nötig sei mehr Geld für Um- und Ausbau im Bestand statt weitere Fördermittel für »Baulöwen und Investoren«. Denn Investitionen in den Bestand seien der wirkliche ökologische Beitrag in Zeiten der Klimakrise.

Auch die Grünen-Abgeordnete Mayra Vriesema argumentierte in diese Richtung und beklagte, dass im Etat 2026 keine Zuschüsse für die auch von der Koalition angekündigte Initiative für eine neue Gemeinnützigkeit vorgesehen seien.

Derweil wurde in den Ausführungen von Ministerin Hubertz deutlich, dass ein Schwerpunkt weiterhin auf Subventionen für den privaten Eigenheimbau und die Schaffung von Wohneigentum liegt. Es würden »neue Perspektiven für alle geschaffen, die sich den Traum vom eigenen Zuhause erfüllen wollten«, sagte sie. Bei den Programmen für »die junge Generation« hob sie die 250 Millionen Euro für die Wohneigentumsförderung für Familien und die 350 Millionen für das Programm »Jung kauft Alt« hervor. Jungen Familien werde damit ermöglicht, Häuser auf dem Land zu kaufen und zu sanieren. Weitere Subventionen für Wohneigentum sind das Baukindergeld, für das 808 Millionen Euro vorgesehen sind, und die Wohnungsbauprämie (220 Millionen Euro). All diese Zuschüsse summieren sich auf mehr als 1,6 Milliarden Euro.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182660.wohnungslosigkeit-wohnraum-wie-ein-sechser-im-lotto.html