nd-aktuell.de / 26.09.2025 / Berlin

Ein schöner Land Brandenburg: Geburten und Wirtschaft im Aufwind

Brandenburgs Mütter gebären mehr Kinder, doch das wiegt die Sterbe­fälle nicht auf

Andreas Fritsche
Die Tesla-Autofabrik in Grünheide hat Brandenburg einen Produktionsschub verschafft.
Die Tesla-Autofabrik in Grünheide hat Brandenburg einen Produktionsschub verschafft.

Geburtenknick, Pleitewelle[1], Massenarbeitslosigkeit[2] und das Abwandern der Jugend quälten nach der Wende das Land Brandenburg und seine Bewohner. Die Perspektive war eine zunehmend schrumpfende und vergreisende Bevölkerung. Jetzt machen eine Bevölkerungsvorausprognose vorsichtig und eine Studie zur Wirtschaftsentwicklung[3] geradezu begeistert Hoffnung auf einen Aufwärtstrend[4]. Beide wurden am Freitag nacheinander im Landtag vorgestellt.

Statistisch betrachtet hatte jede Brandenburgerin im gebärfähigen Alter 1995 nur 0,8 Kinder zur Welt gebracht. 2,1 Geburten wären notwendig, um die Einwohnerzahl zu halten. Bis 2015 war der Wert auf 1,7 Kinder gestiegen, bis 2023 aber wieder abgesunken auf 1,35. Nach am Freitag vorgestellten Berechnungen des Statistikamtes Berlin-Brandenburg und des brandenburgischen Landesamtes für Bauen und Verkehr wird die Geburtenrate bis 2040 wahrscheinlich auf 1,5 ansteigen – im günstigsten Fall auf 1,6, im ungünstigsten nur auf 1,4.

Das Fatale daran: Es sterben mehr alte Brandenburger, als junge geboren werden. Der sogenannte Sterbeüberschuss hat sich zuletzt auf 20 000 Personen im Jahr verdoppelt. Bis ins Jahr 2040 wird sich der Sterbeüberschuss auf 331 000 belaufen. Dennoch erwartet Experte Jochen Corthier, dass die Einwohnerzahl bis 2024 um 17 100 auf mehr als 2,5 Millionen wächst. Im besten Fall könnten dann sogar 176 000 mehr Menschen in Brandenburg leben als jetzt und nur im schlimmsten Fall 141 500 weniger.

Dass die Aussichten eher positiv sind, liegt an der Zuwanderung. So würden allein 250 000 mehr Berliner nach Brandenburg ziehen als umgekehrt Brandenburger in die Hauptstadt. Auch im Austausch mit dem übrigen Bundesgebiet wird ein positives Wanderungssaldo von plus 31 000 Personen erwartet. Aus dem Ausland kämen 132 000 mehr Menschen nach Brandenburg als Brandenburger auswandern.

Das Landesamt für Bauen und Verkehr ist an zutreffenden Vorausberechnungen interessiert, um Infrastrukturprojekte daran auszurichten. Wie verlässlich sind solche Vorhersagen? Experte Hans Jürgen Völkerding zufolge sind die Prognosen für Geburten und Sterbefälle trotz Corona-Pandemie[5] für die Jahre 2020 bis 2024 nah an dem gewesen, wie es dann gekommen ist. Der tatsächliche Gewinn durch Zuwanderung wurde allerdings unterschätzt. Die Statistiker hatten nicht damit rechnen können, dass der Wanderungsgewinn im Jahr 2022 insbesondere durch ukrainische Kriegsflüchtlinge um 30 000 höher ausfiel als erwartet. Insgesamt belief sich der Wanderungsgewinn in jenem Jahr auf fast 60 000 Personen. Gegenwärtig liegt er bei rund 22 000 jährlich und soll bis 2040 noch etwas sinken.

Weniger in die Zukunft als in die Vergangenheit blickt eine Studie der Schweizer Prognos AG zum Wirtschaftsstandort Brandenburg. Das Bundesland habe in den vergangenen 35 Jahren nach einem schwierigen Start mit dem Zusammenbruch der alten Märkte in Osteuropa, einer massiven Schrumpfung der Industrie und hoher Arbeitslosigkeit »eine beachtliche wirtschaftliche Performance absolviert«, formuliert Prognos-Direktor Olaf Arndt. Heute sei Brandenburg die »Chancheninsel« in Ostdeutschland.

Von der Krise nach der Wende habe sich Brandenburg besser erholt als andere ostdeutsche Bundesländer, analysiert die Prognos AG. »Brandenburg ist heute das produktivste ostdeutsche Bundesland und hat das Niveau westdeutscher Länder erreicht.« Das liegt vor allem an der Ansiedlung der Tesla-Autofabrik. »1990 hätten uns wohl wenige zugetraut, dass wir heute in vielen Bereichen an der Spitze der neuen Länder stehen«, sagt Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD). »Wir wollen noch mehr erreichen.«

Die Prognos AG gibt Fingerzeige, was dazu geschehen sollte: Die Infrastruktur müsse weiter ausgebaut werden, dem sicher steigenden Energiebedarf der Wirtschaft sei Rechnung zu tragen, es brauche Gewerbeflächen, Weiterbildung, die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und eine »Willkommenskultur«. 10,8 Prozent der Beschäftigten in Brandenburg sind aus dem Ausland zugewandert.

Die Wirtschaftsförderung Brandenburg hatte die Studie in Auftrag gegeben und will die Ergebnisse jetzt bei ihrer Werbung um Investoren und im Standortmarketing einsetzen, wie Geschäftsführer Steffen Kammradt sagt. »Brandenburg ist auf dem richtigen Kurs«, glaubt er.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191624.wirtschaft-zahl-der-firmeninsolvenzen-und-arbeitslosen-steigt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192300.arbeitsmarkt-arbeitslosenquote-nicht-akzeptabel.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191368.kommunalpolitik-kommunen-sollen-einfach-mal-kredite-aufnehmen.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180577.tesla-tesla-in-gruenheide-jobs-oder-wald.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194016.corona-pandemie-corona-galt-nicht-als-katastrophe.html