Die AfD mache Politik für die oberen Zehntausend, sei aber mittlerweile unter den Arbeitern die stärkste Partei, beklagt der Europaabgeordnete Fabio De Masi (BSW). »Da läuft doch etwas schief«, findet er. Deshalb brauche es das BSW, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Interessen der Arbeiter zu vertreten.
Fabio De Masi redet bei einem Landesparteitag des Berliner BSW im Abacus-Tierparkhotel. Bei diesem Parteitag wird mit Martin Rutsch[1] ein neuer Schatzmeister gewählt. Rutsch verrät, dass er kürzlich angefangen hat, Tennis zu spielen. Das ist nun nicht gerade ein Arbeitersport, sondern wie Golf eher eine Freizeitbeschäftigung der sogenannten besseren Gesellschaft, die dabei auch geschäftliche Kontakte knüpft.
Das BSW, gegründet Anfang 2024, ist immer noch nicht leicht zu verstehen. Als »linkskonservativ«, wenn das auch widersprüchlich klingt, beschreibt der neue Schatzmeister Rutsch den »Markenkern« seiner Partei. Er sagt: »Kein Mensch braucht eine zweite AfD, eine zweite Linke oder SPD oder eine sonstige Kopie der etablierten Parteien.« 30 Jahre ist Rutsch alt und hat eine Vergangenheit in der Linken. In deren Berliner Kreisverband Tempelhof-Schöneberg ist er auch schon mal Schatzmeister gewesen. »Wir treten nicht in dieser Stadt an, damit wir den gleichen grauen Politikbrei über die Berliner Bevölkerung ergießen«, sagt Rutsch.
In einem Jahr wird in Berlin das Abgeordnetenhaus gewählt. In den Meinungsumfragen pendelt das BSW in der Hauptstadt zwischen vier und sieben Prozent. Es kann sich also nicht sicher sein, den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Einen Abgeordneten hat das BSW im Parlament: seinen Landesvorsitzenden Alexander King[2]. Angetreten ist er bei der vergangenen Wahl für die Linke – dann aber ausgetreten und zum BSW gekommen. Wenn er endlich nicht mehr allein im Abgeordnetenhaus sei, sondern mit einer Fraktion, dann könnte das BSW dort noch mehr erreichen, ist Alexander King überzeugt.
Weniger als 10 000 Stimmen bundesweit fehlten dem BSW im Februar am Einzug in den Bundestag. Europaparlamentarier Fabio De Masi ist sich sicher: Wenn die atypischen Ergebnisse in einzelnen Wahllokalen[3] überprüft und die nur bei der Zweitstimme angekreuzten Wahlzettel alle als gültig anerkannt würden, wäre das BSW im Bundestag – und dann hätte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) keine Mehrheit mehr für seine Politik. So sieht das auch die BSW-Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht, von der eine Videobotschaft eingespielt wird.
In Berlin hatte das BSW bei der Bundestagswahl immerhin 6,7 Prozent der Stimmen erhalten, lag in der Hauptstadt also recht deutlich über der Fünf-Prozent-Hürde. Die damaligen Wähler würden das Olympiastadion zweimal füllen und sogar fünfmal die Alte Försterei, in der sein 1. FC Union Berlin seine Heimspiele absolviert, rechnet Oliver Ruhnert[4] vor. Fußballmanager Ruhnert war in Berlin der BSW-Spitzenkandidat. Fußball ist übrigens ein Arbeitersport, und Oliver Ruhnert stammt aus einfachen Verhältnissen.
Auf Listenplatz zwei stand im Februar Sevim Dağdelen. Sie war damals noch Bundestagsabgeordnete. Jetzt möchte Dağdelen die Berliner Abgeordnetenhauswahl zu einer Abstimmung über Kriegstreiberei und Sozialabbau machen.
»Kein Mensch braucht eine zweite AfD, eine zweite Linke oder SPD oder eine sonstige Kopie der etablierten Parteien.«
Martin Rutsch BSW-Landesschatzmeister
Zum Sozialabbau äußert sich Josephine Thyrêt[5], die mit Alexander King die Doppelspitze des Landesverbands bildet. Die Migranten seien nicht Schuld, dass der Berliner Senat jahrzehntelang Infrastruktur, Bildung, Kultur und Soziales zusammengekürzt habe. Die dafür Verantwortlichen wollen nun deutsche und migrantische Arbeiter spalten, sagt Thyrêt. Die Migranten werden Thyrêt zufolge als Niedriglöhner ausgenutzt. Der Senat entziehe sich seiner Verantwortung, statt der AfD mit sozialer Politik entgegenzutreten. Gehe es mit den Kürzungen so weiter, fördere dies Wut und Protest und den Aufstieg der AfD.
Gehört zu werden, ist für das BSW nicht einfach. Seit dem Ausscheiden von Sahra Wagenknecht aus dem Bundestag werden sie und ihre Mitstreiter praktisch gar nicht mehr in die Talkshows der großen Fernsehsender eingeladen. Das ist das übliche Schicksal der außerparlamentarischen Opposition. Aber viele beim BSW halten ihre Partei auch für bewusst totgeschwiegen von den Medien wegen ihrer konsequenten Friedenspolitik.
Der Landesverband Berlin zählt 320 Mitglieder. Mehr als 180 kommen zum Parteitag. Weil die Wahl eines neuen Schatzmeisters in den Landesvorstand mit digitalen Geräten nicht klappt, wird doch auf Zetteln abgestimmt. Mit Wahlen hat es das BSW nicht leicht.