nd-aktuell.de / 29.09.2025 / Berlin

Erster Spatenstich für Siemensbahn 2026

Wiederinbetriebnahme der Berliner S-Bahn-Strecke soll mit Partner­schafts­modell pünktlich gelingen

Nicolas Šustr
Der Bahnhof Wernerwerk auf dem 800 Meter langen Stahl-Viadukt der Siemensbahn 2020.
Der Bahnhof Wernerwerk auf dem 800 Meter langen Stahl-Viadukt der Siemensbahn 2020.

2029 soll es klappen. Dann sollen auf der seit 1980 stillgelegten, 4,5 Kilometer langen S-Bahn-Strecke zwischen Jungfernheide und Gartenfeld wieder alle zehn Minuten Züge fahren. »Wir rechnen mit dem ersten Spatenstich im Jahr 2026«, sagt Alexander Kaczmarek am Montagmorgen im Bügelbau des Berliner Hauptbahnhofs. Er ist Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.

Noch sitzt hier niemand an den rund 100 Arbeitsplätzen, doch die Räume sollen sich zügig füllen. Denn inzwischen sind alle Auftragnehmer für die Wiederinbetriebnahme der Siemensbahn gebunden. Alle sollen hier zusammenarbeiten. »Partnerschaftsmodell Schiene« heißt das neue Modell, das für die Einhaltung der engen Terminschiene und des Kostenrahmens sorgen soll. »Wir wollen hier an dieser Stelle etwas ausprobieren, was sich an anderer Stelle schon sehr bewährt hat«, sagt Kaczmarek.

Erstmals erprobt hat die Bahn das Modell der Zusammenarbeit beim Neubau des ICE-Instandhaltungswerks in Cottbus – mit ermutigenden Ergebnissen. »Es ist nicht so, dass gottgegeben alles endlos dauern muss. Und genau das wollen wir natürlich bei der Siemensbahn auch erreichen: schnell fertig zu werden«, so Kaczmarek weiter.

Alle Partner, die etwas beizutragen haben zu diesem Projekt, seien schon von Anfang an mit an Bord, erläutert der DB-Verantwortliche den neuen Ansatz. Neun Unternehmen, von Planungsbüros bis hin zu diversen Baufirmen für die einzelnen Gewerke, sind nun in dieser Projektallianz vereint.

Wie es sonst bei Bauprojekten läuft, beschreibt Kaczmarek so: »Man plant etwas, schmeißt es über den Zaun. Dann kommt der Nächste, nimmt die Planung und sagt: Das passt irgendwie nicht und muss alles noch mal neu gemacht werden.« Genau da entstünden dann »die Schwierigkeiten, die wir diesmal vermeiden wollen«.

Zwar handelt es sich rechtlich größtenteils um die einfache Sanierung[1] einer Strecke, die formal nie stillgelegt worden ist, trotzdem sind die Herausforderungen nicht klein. Allein schon wegen der komplett unter Denkmalschutz stehenden Altstrecke. Ebenso sind die Kosten hoch: 2024 wurden sie auf 880 Millionen Euro geschätzt. Aktuelle Schätzungen will Kaczmarek nicht nennen.

Eine Spreebrücke muss neu gebaut werden, dazu kommen umfangreiche Umbauten am Bahnhof Jungfernheide, wo die Siemensbahn in die Ringbahn einfädelt. Ein drittes Gleis nebst zusätzlichem Bahnsteig soll dort entstehen. Ebenso am Bahnhof Westhafen, wo die Strecke zum Hauptbahnhof ausfädelt. Dazu neue Abstellgleise. Für diese Maßnahmen läuft noch das nötige Planfeststellungsverfahren.

Das Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg kritisiert die Planungen für den Bahnhof Jungfernheide mit einem dritten Gleis und Zusatzbahnsteig als »weder die vorzugswürdige noch eine kostengünstige Variante«. Zudem sei sie »fahrgastunfreundlich«, da für einen Übereck-Umstieg von der Siemensbahn Richtung Südring einen Bahnsteigwechsel erfordere.

Tatsächlich fällt der Ausbau des Bahnhofs Jungfernheide teuer aus. Ein bestehendes Unterwerk für die S-Bahn-Stromversorgung muss am bestehenden Standort abgerissen und versetzt neu aufgebaut werden, zudem muss für den Zusatzbahnsteig der Bahndamm aufwendig verbreitert werden.

Kaczmarek verteidigt die gewählte Lösung: »Wenn man noch einen weiteren Störfaktor in den Ring einspeisen will, ohne Puffermöglichkeit, dann gerne. Aber dann muss man sich auch nicht wundern, dass der Verkehr auf der Ringbahn dann auch zusammenbricht.« Er wolle »nicht schon wieder eine halbgare Lösung, für die uns die Leute in 20 Jahren wieder hassen würden«.

Im Zuge der bestehenden Strecke gibt es auch einen Konflikt mit dem geplanten Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke der A100[2], die dort kreuzt. Vorgesehen war in der Autobahn-Bauplanung für die Arbeiten eine Nutzung von Teilen des Bahndamms. Die Bahn habe eigentlich kein Problem, schließlich handele es sich formal um eine bestehende Infrastruktur, so Kaczmarek. »Wir haben jedoch nun einen Kompromissvorschlag gemacht«, sagt er zu »nd«.

Enden sollen die Züge aus Gartenfeld im Tunnelbahnhof am Hauptbahnhof. Das erste Teilstück der zweiten Nord-Süd-Querung S21 harrt, obwohl inklusive provisorischen S-Bahnhofs[3] fertiggestellt, schon länger der Eröffnung. Nach mehreren Verschiebungen sollte die Strecke im Dezember 2024 eröffnen. Auch neue Termine im laufenden Jahr sind abgesagt worden. Nun kündigt Kaczmarek an, dass es im Frühjahr 2026 so weit sein könnte.

Eröffnet werden soll die Strecke mit der neuen Linie S15. Zunächst sollte sie im Zehn-Minuten-Takt zwischen Hauptbahnhof und Gesundbrunnen pendeln – mit einem Zwischenhalt am Bahnhof Wedding. Doch die Sorgen sind groß, dass das Wenden in Gesundbrunnen mit entsprechend langen Bahnsteigaufenthalten den Verkehr auf der Ringbahn weiter durcheinanderbringt. Inzwischen sind die Überlegungen fortgeschritten, die S15 entlang der S2 bis Blankenburg weiterzuführen, wo es Wendegleise gibt.

Weil der provisorische Bahnsteig am Hauptbahnhof sehr kurz ist, könnten nur Vier-Wagen-Züge über die Siemensbahn rollen, wenn sie diesen Endpunkt ansteuern soll. Auch steht nur ein Bahnsteiggleis zur Verfügung, sodass ein gemeinsamer Betrieb mit der S15 weitere Instabilitäten mit sich brächte. Auch gab es bei der S-Bahn Berlin Bedenken, dass die kurzen Züge der Siemensbahn auf dem Ring wegen hohen Fahrgastandrangs lange an den Bahnhöfen stehen würden und so ebenfalls den Takt durcheinander brächten.

Acht-Wagen-Züge wären erst möglich, wenn die Strecke bis zum Potsdamer Platz weitergebaut wird. Ob und wann das geschieht, ist angesichts der Haushaltslage unsicher. Derzeit läuft das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193887.nahverkehr-bvg-neue-u-bahn-zuege-fahren-endlich.html?sstr=nicolas
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194117.stadtentwicklung-friedrichshain-kreuzberg-wo-investoren-traeumen-duerfen.html?sstr=a100
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194222.bahnverkehr-in-brandenburg-blankenfelde-bessere-umstiege-und-schnellere-verbindungen.html?sstr=nicolas