nd-aktuell.de / 29.09.2025 / Berlin

Potsdam: Staatsanwaltschaft unbeirrt

Im Prozess um einen Asylprotest im Landtag besteht die Staatsanwaltschaft auf weiteren Zeugen

Julian Daum
Aktivisten protestieren votr dem Brandenburger Landtag gegen das geplante Abschiebezentrum am BER.
Aktivisten protestieren votr dem Brandenburger Landtag gegen das geplante Abschiebezentrum am BER.

Benni S. und Jonas B. müssen bald wieder vor Gericht erscheinen. Die Aktivisten für Geflüchtetenrechte waren von der AfD-Fraktion Brandenburg wegen einer Protestaktion im Landtag im November 2022 angezeigt worden. Obwohl der von der AfD vorgeschlagene und vom Gericht bestellte Zeuge Dennis Hohloch – seines Zeichens selbst AfD-Landtagsabgeordneter – unentschuldigt fehlte und sich auch die beiden als Zeug*innen geladenen Sicherheitskräfte an nichts Relevantes – inklusive Angeklagte – erinnern konnten, bestand die Staatsanwaltschaft darauf, Hohloch noch einmal für einen weiteren Prozesstag vorzuladen. Der Vorwurf lautet auf Störung der Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans.

Demnach sollen Benni S. und Jonas B. während der Parlamentsdebatte ein Banner von der Besuchertribüne aus entrollt haben. Darauf habe sinngemäß gestanden: »Kein Abschiebezentrum am BER!« Dadurch sei die Sitzung gestört worden und habe für eine Minute und zehn Sekunden unterbrochen werden müssen. Eine Finanzierungsdebatte über das sogenannte »Ein- und Ausreisezentrum« am Flughafen BER stand damals auf der Tagesordnung, die Leitung hatte Landtagsvizepräsident Andreas Galau (AfD) inne.

Laut S. und B. fußen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft allein auf der Anzeige der in Brandenburg gesichert rechtsextremen AfD[1], wie beide »nd« vor Prozessbeginn erklären. Denn eigentlich sei Landtagspräsidentin Ulrike Liedke (SPD) für die Durchsetzung des Hausrechts verantwortlich, die damals jedoch auf eine Anzeige verzichtet habe. Auch dass die Staatsanwaltschaft mit dem AfD-Abgeordneten Dennis Hohloch einen »als gesichert rechtsextrem eingestuften Politiker« benenne, »der das parlamentarische System ablehnt«, sei doch bemerkenswert und ungewöhnlich, sagt Jonas B.: »So jemand kann keinen glaubwürdigen Kommentar vor Gericht abgeben.«

Etwa 20 Unterstützer*innen fanden sich etwa eine Stunde vor dem Termin vor dem Gerichtsgebäude zu einem Protestfrühstück zusammen. Das nahmen die beiden Angeklagten zum Anlass, über das zu sprechen, was an der Sache doch eigentlich wichtig sei: »Kaum hatten die Leute nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz ihre Blumen niedergelegt, hat die Politik das zum Anlass genommen, eine rassistische Kampagne zu starten«, erklärt Benni S. über Lautsprecher. Und so habe man auch in Brandenburg zeigen wollen, Geflüchtete als das Problem erkannt zu haben. Das Resultat seien politische Vorhaben wie die Einführung diskriminierender Bezahlkarten oder das am Flughafen BER geplante Abschiebezentrum, mit dessen Bau 2026 begonnen werden soll. Dort sollen 156 Plätze für das Ausreisegewahrsam entstehen, weshalb S. und B. auch von einem Abschiebeknast sprechen.

Das Wort »ungewöhnlich« fällt später auch im Gerichtssaal öfter. So und als »über das Ziel hinaus geschossen« beschreibt der Anwalt von Benni S. eingangs die angesichts des Tatvorwurfs hohen Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen wurden: Besucher müssen zweimal eine Sicherheitskontrolle durchlaufen, des Weiteren befinden sich vier bewaffnete Polizeibeamte vorm und zwei im Verhandlungssaal.

»Ein gesichert Rechtsextremer kann keinen glaubwürdigen Kommentar vor Gericht abgeben.«

Benni S. Angeklagter

Als »ungewöhnlich« beschreibt auch die Verteidigerin von Jonas B. die Methoden der Polizeiermittlungen, die ein als Zeuge geladener Sicherheitsmann beschrieb: So sei ihm an diesem Tag per Videocall ein Bild mit mehreren Personen gezeigt worden, die FFP2-Masken trugen. Er wurde gefragt, ob er jemanden darauf erkenne. Der Zeuge hatte das Bild dabei nur auf seinem kleinen Handybildschirm gesehen. Auch sonst erkenne er niemanden im Saal wieder und wisse nicht, ob damals Personalien von irgendjemandem aufgenommen wurden.

Eine weitere Sicherheitskraft wirkte zunächst ein wenig sicherer in ihren Aussagen, musste jedoch auf Nachfrage zugeben, sich nicht mit Sicherheit an die Angeklagten erinnern zu können. Auf die während der Corona-Zeit üblichen Masken angesprochen, sagte sie zunächst, dass niemand eine getragen habe, korrigierte sich aber später, als ihr ein Foto mit Tatverdächtigen gezeigt wurde – mit FFP2-Masken[2]. Nachdem die Abwesenheit des AfD-Zeugen Hohloch festgestellt wurde, wurde die Sitzung zur Beratung unterbrochen. Anschließend wurde ein weiterer Prozesstag verkündet, da die Vernehmung des Zeugen für die Staatsanwaltschaft unverzichtbar sei. »Es hat sich gezeigt, Hohloch verachtet nicht nur die Demokratie, sondern auch das Gericht«, sagte Benni S. daraufhin. »Das ist einfach nur noch unverhältnismäßig.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194251.freiberg-christian-pudack-als-liberaler-leuchtturm-der-demografie-trotzen.html?sstr=afd
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192395.jens-spahn-bericht-zur-maskenaffaere-jetzt-ungeschwaerzt.html?sstr=ffp2