Beim Parteitag des Berliner BSW am Samstag gehörte Medienschelte zum Standardrepertoire der Redner. Journalisten wurde vorgeworfen, dass sie die Bevölkerung kriegstüchtig machen wollen und dem BSW zu wenig Beachtung schenken. Neben den Zeitungen »Tagesspiegel« und »Taz« wurde der Sender RBB namentlich genannt. Ein BSW-Mitglied warb sogar für Sammelklagen gegen den Rundfunkbeitrag.
Nun ist Kritik von Parteien an den Medien immer mit Vorsicht zu genießen. Dreht sich der Wind und eine Partei kommt wieder gut weg in der Berichterstattung, ist ihr Unmut schnell verflogen.
Doch was ein Insider wie der Journalist Hellmuth Henneberg[1] zu sagen hat, sollte unbedingt gehört werden. Sein letzter Schreibtisch beim RBB-Fernsehen stand bis 2023 in Cottbus. Nun ist er im Ruhestand und hat eine lesenswerte Autobiografie veröffentlicht. In »Alle meine Leben. Dokumente eines Ossis« schreibt Henneberg, sein Verhältnis zum Sender sei »von großer Dankbarkeit geprägt, auch wenn mich sein Fernsehprogramm bis auf selten gewordene Ausnahmen nicht mehr interessiert und auch wenn er Programme, für die ich mich lange engagierte, abgesetzt hat«.
Durch die Übernahme fast aller Leitungsfunktionen von der Intendanz bis zum Programmdirektor durch Personen ohne ostdeutsche Sozialisation sei das Verständnis der Verantwortlichen für den größten Teil der Zuschauer verloren gegangen. Kollegen, die energisch etwas anderes einforderten, seien beiseitegeschoben worden. Henneberg selbst hatte es von der Zentrale in die Provinz verschlagen, wo er sich allerdings wohlfühlte. Er hatte Arbeit, er verdiente gut. Viele andere Ostdeutsche bekamen solche Chancen nach der Wende nicht. Henneberg weiß das.
Er ist der Sohn der Schauspieler Gerd Michael Henneberg und Maria Kühne, wobei seine Mutter als Ansagerin des DDR-Fernsehens im Studio Rostock arbeitete. Geboren 1958 in Berlin, ist Hellmuth Henneberg in Rostock aufgewachsen. Er konnte in Leipzig Journalistik studieren, obwohl er sich weigerte, drei Jahre bei der NVA zu dienen, und nur seinen Grundwehrdienst von anderthalb Jahren ableistete. Er wurde nicht von der Universität verwiesen, obwohl er – genervt vom offiziellen Getue im Karl-Marx-Jahr 1983 – in einem Kulturausscheid mit einem »Anti-Marx-Programm« antrat. Er durfte beim DDR-Fernsehen anfangen, obwohl er sich weigerte, zur Nachrichtensendung »Aktuelle Kamera« zu gehen. Aber es war jedes Mal ein Kampf.
Seit 1990 moderierte Henneberg das Umweltmagazin »Ozon«[2]. Dieses Magazin startete während der Wende im DDR-Fernsehen, wurde vom Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (ORB) fortgeführt und 2003 – als ORB und Sender Freies Berlin (SFB) fusionierten – vom RBB übernommen. »Ozon« war unbequem und immer wieder in Gefahr, abgesetzt zu werden. Das Magazin hielt jedoch mit seinem Moderator 25 Jahre durch, eine ungewöhnlich lange Zeitspanne. Zu frech soll Henneberg gewesen sein, so eine interne Kritik, als er einmal Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) interviewte.
Henneberg war auch jahrelang Redakteur bei der Neuauflage der legendären Gesprächsreihe »Zur Person« von Günter Gaus. Auch die wäre vom Bildschirm verschwunden, wenn Gaus nicht so prominent gewesen wäre, ist Henneberg überzeugt. Der RBB setzte ihm zufolge zuletzt zynisch auf die »biologische Lösung«.
1963 hatte Gaus begonnen, Politiker und andere bedeutende Persönlichkeiten zu interviewen. Henneberg war bei der Aufzeichnung der Sendung mit der Schriftstellerin Christa Wolf in den USA dabei und beim Gespräch mit dem RAF-Terroristen und Häftling Christian Klar in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal. 2004 starb Gaus – und »Zur Person« war damit Geschichte.
Praktisch ohne Vorwissen wurde Henneberg schließlich Fernsehgärtner, moderierte lange die Sendung »Gartenzeit«[3] und demonstrierte anfangs Handgriffe vor der Kamera, die er zuvor nie selbst erprobt hatte. Doch dabei lernte er für den eigenen Garten seines Hauses in der Lausitz und ist heute auch dafür dankbar.
Im Januar 2015 hatte das »nd« auf seiner Titelseite gezeichnete »Köpfe der Wende«. Als die »Berliner Zeitung« sich phasenweise für Zugezogene interessant machen wollte und die Ostdeutschen für eine aussterbene Gattung hielt, hatte Henneberg die »Berliner Zeitung« abbestellt und das »nd« abonniert. Nun hatte er im Januar 2015 seinen Spaß, die abgebildeten Personen zu identifizieren. Sich selbst erkannte er nicht. Die Auflösung gab es erst im Innenteil der Zeitung, wo über Regine Hildebrandt, Friedrich Schorlemmer und andere geschrieben wurde – und Henneberg sich als Moderator der ersten Talkshow des DDR-Fernsehens[4] am 24. November 1989 vorgestellt fand. Henneberg sagte den Zuschauern damals: »Wundern Sie sich nicht. Sie sind im richtigen Programm.«
Hellmuth Henneberg: Alle meine Leben. Dokumente eines Ossis. copy.worxx, 295 S., 19,90 €.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194393.fernsehen-zur-person-hellmuth-henneberg.html