nd-aktuell.de / 01.10.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Osthandel treibt deutsche Wirtschaft an

Die guten RGW-Beziehungen der DDR hinterlassen bis heute ihre Spuren im Warenverkehr

Hermannus Pfeiffer
Der Außenhandel mit Osteuropa ist für die deutsche Wirtschaft wichtiger als der mit den USA oder China.
Der Außenhandel mit Osteuropa ist für die deutsche Wirtschaft wichtiger als der mit den USA oder China.

Polens Bedeutung für die schwächelnde deutsche Wirtschaft nimmt weiter zu. Im ersten Halbjahr wuchs der Handel mit dem größten Geschäftspartner im Osten um satte sechs Prozent auf mehr als 105 Milliarden Euro. Damit liegt Polen als fünfwichtigster Handelspartner Deutschlands gleichauf mit Frankreich. Auch insgesamt legten insbesondere Exporte in osteuropäische Staaten erneut stärker zu als in andere Regionen der Welt. Mit der Tschechischen Republik konnte der Handel um 4,5 Prozent auf über 67 Milliarden zulegen. Besonders stark wuchs der Warenverkehr mit der Ukraine, der mit rund 7 Milliarden Euro aber noch bescheiden ist.

Laut dem Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft[1] gewinnt der Osteuropahandel – er steht für etwa ein Fünftel des hiesigen Außenhandels – »weiter an Zugkraft für die gesamte deutsche Wirtschaft«. Laut dem Verband stieg der Export in die 29 Länder Mittel- und Osteuropas sowie Zentralasiens von Januar bis Juni um 2,5 Prozent auf 168 Milliarden Euro. Die Bedeutung der Impulse aus dem Osten wird daran deutlich, dass die deutschen Exporte insgesamt zurückgingen. 

Nun hat der Osthandel Tradition. So war der DDR-Außenhandel in den 50er und 60er Jahren nahezu vollständig auf die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zusammengefassten Länder begrenzt. Dazu gehörten Albanien, Bulgarien, CSSR, Polen, Rumänien, Sowjetunion und Ungarn, zudem Kuba, Mongolei und Vietnam. Anfang der 60er Jahre schlossen die RGW-Staaten ein Abkommen über die Einführung des sogenannten Transferrubels als einziger Verrechnungswährung für ihre Im- und Exporte. Der Kurs war festgelegt: Ein Rubel entsprach 4,67 Valuta-Mark. Ein unmittelbarer Vergleich zur Gegenwart verbietet sich vor diesem Hintergrund[2], dennoch lassen sich aus der DDR-Statistik interessante Entwicklungen ablesen: So wird der Export in die RGW-Länder im Statistischen Jahrbuch für 1989 – dem letzten vollständig erfassten Wirtschaftsjahr – auf rund 61 Milliarden Mark »Valutagegenwert« beziffert. Eingeführt wurden Waren und Dienstleistungen für 57 Milliarden Mark. Etwa die Hälfte des Außenhandels mit dem RGW entfiel auf die Sowjetunion, zu der ein Großteil der Länder gehörte, die der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft heute erfasst.

Nach einem rasanten Anstieg des Handels innerhalb des RGW bis in die frühen 80er Jahre stagnierte dieser allerdings, teilweise ging der Umsatz sogar zurück. Das mag man aus heutiger Sicht als Ausdruck der wirtschaftlichen Krise in der DDR wie in anderen RGW-Staaten lesen. Besondere Spuren hinterließen aber auch die »westlichen Industrieländer«, wie sie im Statistischen Jahrbuch benannt werden. Die zunehmende Industrialisierung der DDR seit den 70ern hatte steigende Importe von Rohstoffen und Halbfertigprodukten aus dem »kapitalistischen Ausland« und dem sonstigen »Nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet« erfordert. Angetrieben wurden die Importe ebenfalls durch die Einfuhr westlicher Konsumgüter, von afrikanischen Kaffeebohnen über japanische Kassettenrekorder bis zum VW-Golf. 

Einfuhren aus dem Westen legten nun rasant zu und ließen während der 80er Jahre die RGW-Einfuhren sogar deutlich hinter sich. 1989 hatten dann die Importe aus dem Westen den Rekordwert von 76,8 Milliarden Mark erreicht. Zur Finanzierung war harte West-Währung unabdingbar, erwirtschaftet über Exporte ins nichtsozialistische Ausland. Da diese hinterherhinkten, nahm das Handelsdefizit mit dem Westen in der Spätphase der DDR folgenschwere Ausmaße an[3]. 

Was nicht für die Geschäfte mit dem RGW galt. Das Exportniveau konnte gehalten werden, während die Einfuhren vor allem aus der Sowjetunion drastisch heruntergefahren wurden. Insgesamt war der Anteil des Ostens am Außenhandel der DDR aber deutlich gefallen. Standen die Geschäfte mit dem RGW noch in den 70er Jahren für zwei Drittel, war es zuletzt weit weniger als die Hälfte.

Damit war die Bedeutung des Osthandels für die DDR aber immer noch viel größer, als sie es heute für die BRD ist. Nach der Treuhandprivatisierung konnten sich westliche Konzerne die guten Beziehungen in den RGW-Raum zunutze machen. Diese hinterlassen bis heute ihre Spuren: Im Jahr 2025 werden allein mit Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien und der Slowakei weit mehr Waren gehandelt als mit den Vereinigten Staaten oder China.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1164357.ostausschuss-mehr-als-russland.html?sstr=RGW
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1662.noch-weiss-niemand-was-ein-transferrubel-wert-ist.html?sstr=Transferrubel
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1116209.oekonomie-war-die-ddr-wirtschaft-marode.html