Anja Kreisel hatte bereits vor der Oberbürgermeisterwahl in Frankfurt (Oder) befürchtet, dass es so kommen würde: Dass sie als Linke-Kreisvorsitzende vor der Stichwahl am 12. Oktober möglicherweise für den parteilosen Kandidaten Axel Strasser würde werben müssen, obwohl sie dabei Bauschmerzen hat wegen einiger offener Fragen.
Jetzt hat sie diese Fragen zusammen mit Linksfraktionschefin Sandra Seifert noch einmal genannt: Wie würde Strasser als Oberbürgermeister mit den Stadtverordneten zusammenarbeiten? Auf welcher Wertebasis würde er die vielen noch nicht absehbaren Entscheidungen treffen? Vor allem: »Wird er sich konsequent von der AfD abgrenzen?«
Doch unstrittig ist für Kreisel: Der Einzelbewerber Strasser, der bei der Industrie- und Handelskammer tätig ist, hat bei der Wahl am 21. September[1] mit 32,4 Prozent der Stimmen bemerkenswerte Unterstützung gefunden und Hoffnungen geweckt. Er sei ein demokratischer Kandidat und habe die Möglichkeit, die Stadt konstruktiv weiterzuentwickeln.
Von seinem Konkurrenten, dem Landtagsabgeordneten Wilko Möller (AfD)[2], lasse sich das nicht behaupten. Würde Möller Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder) werden, führe das zu einer Politik der Ausgrenzung und Spaltung, einem sozial- und kulturpolitischen Kahlschlag, einer Schwächung der Europa-Universität Viadrina[3] und einer Gefährdung der guten deutsch-polnischen Beziehungen. »Mehr Rassismus, mehr Rechtsextremismus, ein massiver Reputationsverlust und die politische Isolation Frankfurts wären die Folgen«, schreiben Kreisel und Seifert in einer Erklärung zur Stichwahl am 12. Oktober. »Das darf uns allen nicht gleichgültig sein!« Die Linke ruft die Wähler auf: »Geben Sie ihre Stimme für die Demokratie – und nicht für Blau.«
AfD-Politiker Möller hatte in der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl nur 0,2 Prozentpunkte hinter dem parteilosen Strasser gelegen. Ausgeschieden sind mit 28,8 Prozent die Stadtverordnete Désirée Schrade (CDU) und mit 8,6 Prozent die Ex-Bundestagstagsabgeordnete Simona Koß (SPD). Schrade hätte sicher in die Stichwahl einziehen und dann Oberbürgermeisterin werden können, wenn sich ihre Partei mit SPD und Linken auf sie als gemeinsame Kandidatin verständigt hätte. Doch dass der frühere Oberbürgermeister René Wilke (parteilos) vorschnell Schrade als seine Wunschnachfolgerin genannt hatte, nachdem er im Mai auf den Posten des brandenburgischen Innenministers gewechselt war, hat eine Einigung erschwert.
»Wir bedauern sehr, dass es Désirée Schrade nicht in die Stichwahl geschafft hat«, erklärte Clemens Rostock, Landesvorsitzender der Grünen. »In der zweiten Runde wird es nun entscheidend darum gehen, Wilko Möller von der AfD zu verhindern.«
Dabei führt kein Weg an dem parteilosen Axel Strasser vorbei. Der ist 48 Jahre alt und im Osten Berlins geboren. Strasser wohnt seit fünf Jahren in Frankfurt (Oder), und seine Partnerin leitet drüben im polnischen Słubice eine Kanzlei. »Ich schätze das Leben zwischen zwei Städten, zwei Sprachen, zwei Kulturen«, sagt er. Die 7942 Stimmen, die er am 21. September bekommen hat, zeigten ihm, »dass viele Menschen in unserer Stadt meine Visionen teilen«. Das Wahlergebnis sei ihm Motivation und Auftrag zugleich.
Mit Martin Wilke hatte Frankfurt (Oder) schon einmal einen parteilosen Oberbürgermeister. Er wurde 2018 abgelöst durch René Wilke, der erst 2024 aus der Linken ausgetreten und seitdem parteilos ist. Im Mai zum Innenminister gemacht hat ihn die SPD[4].