Am Sonntag erlebte der anspruchslose Jena-Fan[1] (also ich) in der Speckgürteltotentanzstadt Luckenwalde eine komplette Saison im Schnelldurchlauf. Das geht etwa so: Salopp als Kulturbote den Lackschuh zeigen, um final mit nacktem Hintern der lokalen Mistgabel im letzten Moment zu entfliehen. Nun die Langversion:
Gekleidet in ein luftiges Jäckchen ging vorm Spiel ein fieser Niesel auf mein unbedecktes Haupt hernieder und befeuchtete sämtliche Bereiche meines schuldlosen Körpers. Die Regionalliga bietet dem Freund karger Stadien allerhand Unbequemlichkeiten, die er mit Indifferenz abtut. Ein paar Hundert Freunde des Jenaer Ballsports hatten sich eingefunden, der Club stand vorm Kick auf Platz eins und wilder Enzian durchbrach den ewigen Aldiparkplatz Jenaer Pein. Komfort ist etwas für Bundesligaschnösel, wir werden gern nass, lassen uns mit schlimmster Stadionmuzak berieseln und stopfen uns unwohlfeile Nahrungsmittel[2] zum Wucherpreis in den hungrigen Schlund.
Indes uns der jugendliche Ultrachor manch Liedlein sang, hopste die Schar unserer mitgebrachten Kicker recht charmant durch die Luckenwalder Reihen. Fast schien es, als würde die angekündigte Sonne durch das Brandenburger Einheitswolkengrau schimmern. Brandenburg, du Land des Wolfes, der Biber und Waschbären. Letztere säumten als Waschbärkadaver unseren Anfahrtsweg, im Herbst vertreibt die Waschbärmutti ihren Nachwuchs aus dem Revier, statistisch gesehen kommt der Nachwuchs zu zwei Dritteln zumeist nur bis zur nächsten Autobahnauffahrt.
Aber wir wollen uns nicht weiter mit diesen possierlichen Tieren[3] beschäftigen, vom Berliner geliebt, vom Landmenschen gehasst. Vielleicht eines noch, die lässigen Luckenwalder Freizeitsportler zeigten viel Waschbrettbauch und ließen ihre Stutzen auf Halbmast am Knöchel baumeln, während die Jenaer Ballakrobaten in ihrer Gewandung eine gewisse Strenge zum Ausdruck brachten. Überhaupt war ihre Interpretation bis zur vierzigsten Minute vorbildlich. Besonnener Spielaufbau, feine Dribblings, fiese Flanken.
Unter den Fans breitet sich ein wohliges Gefühl in der Herzgegend aus, in Minute dreiundzwanzig senste Kapitän und Vorbildkicker Butze Butzen den Ball ins gegnerische Tor. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann unser zweites Tor fallen würde. Die Schlaufüchse unter euch wissen längst, was nun folgen sollte. Ja, richtig. Minute vierzig. Die Gelb-Rote Karte für Herrn Weihrauch brachte Jena aus dem Tritt. Die Luckenwalder Waschbrettbuben fußballlümmelten trotz hervorragender Mithilfe unserer Mannschaft bis zur dreiundachtzigsten Minute, dann stand es 1:1. Nicht gewonnen. Nicht verloren. Lok Leipzig schnappte uns den ersten Platz in der Tabelle wieder weg.
Jenas wichtigster Stürmer erwies sich daneben als formidabler Meckerkopp und wurde mit der fünften Gelben Karte belohnt. Einwandfrei. Aber so ist unser Fußball. Uns blieb der Weg über die Landstraße zurück ins schöne Berlin. Die Feststellung, nicht in Luckenwalde leben zu müssen und kein überfahrener Waschbär zu sein, ließ uns zerknittert in die Zukunft blicken.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194531.regionalliga-luckenwalder-luemmelfussball.html