Im Frühjahr beschlossen der 33-jährige Yerro Gaye und seine Partnerin zu heiraten. Doch statt auf einer Hochzeit zu feiern, demonstrierten Freund*innen und Unterstützer*innen nun gegen die bevorstehende Abschiebung[1] des Gambiers. Nach Angaben der antirassistischen Gruppe Solidarity Movement (Solimo) haben sich am Dienstagnachmittag 80 bis 90 Personen vor der Ausländerbehörde des sachsen-anhaltischen Haldensleben versammelt.
Es ist der Ort, an dem Gaye laut Solimo Ende September festgenommen worden war, um anschließend nach Dresden in Abschiebehaft gebracht[2] zu werden; für den 15. Oktober sei seine Abschiebung angesetzt[3]. Als »Attacke auf die Menschenrechte« bezeichnete die Gruppe seine Verhaftung kurz vor der Eheschließung. »Seit wir unsere Hochzeit planen, scheint es, als ob die Ausländerbehörde sie verhindern will«, sagt Gaye.
Die Pressesprecherin des zuständigen Landkreises Börde verteidigte das Vorgehen im Gespräch mit »nd«: »In dem betreffenden Fall liegt eine seit drei Jahren bestehende vollziehbare Ausreiseverpflichtung vor, der nicht nachgekommen wurde.« Rechtlich habe eine »Eheschließung auf die Ausreiseverpflichtung keine aufschiebende Wirkung«.
Das sei grundsätzlich korrekt, sagt Robin Michalke, Fachanwalt für Migrationsrecht in Leipzig[4] gegenüber »nd«. »Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Ehe einen Aufenthalt begründet, ist in vielen Fällen falsch.«
»Die weitverbreitete Vorstellung, dass eine Ehe einen Aufenthalt begründet, ist in vielen Fällen falsch.«
Robin Michalke
Fachanwalt für Migrationsrecht in Leipzig
Worin sich die Rechtsprechung allerdings einig ist: Wenn eine Eheschließung unmittelbar bevorsteht, gilt eine Abschiebesperre. Konkret bedeutet das: ab dem Zeitpunkt, ab dem das zuständige Standesamt der Trauung offiziell zugestimmt hat.
Doch Gayes Fall ist komplizierter. Denn sein Heimatland Gambia stellt kein sogenanntes Ehefähigkeitszeugnis aus. Ob die Ehe auch ohne dieses Zeugnis geschlossen werden kann, muss daher das Oberlandesgericht Naumburg klären.
»In diesen Fällen wird eine Hochzeit als ›unmittelbar bevorstehend‹ gewertet, wenn das zuständige Oberlandesgericht darüber im positiven Sinne entschieden hat«, so Michalke. »Denn dann haben die Verlobten alles in ihrer Macht Stehende getan, und die Hochzeit ist nur noch eine Frage des Termins.«
Gayes Unterstützer*innen zufolge habe das Paar zwar alle notwendigen Dokumente beim Standesamt vorgelegt – eine gerichtliche Prüfung habe aber noch ausgestanden, ebenso wie eine offizielle Bestätigung des Standesamtes. Nach Ansicht von Solimo haben Gaye und seine Verlobte dennoch alles Erdenkliche getan, damit die Hochzeit so bald wie möglich stattfinden kann; die Gruppe kündigte an, sich vor Gericht gegen das Vorgehen der Ausländerbehörde zu wehren.
Um die Rechtskosten und weitere dringende Angelegenheiten zu finanzieren, wurde eine Spendenkampagne[5] eingerichtet. Auch wenn die Situation wenig aussichtsreich scheint, werden die Aktivist*innen nicht müde, sich für Gayes Verbleib in Deutschland einzusetzen: Eine Petition, die einen Abschiebestopp fordert[6], haben bis Redaktionsschluss etwa 1100 Personen unterschrieben. Darüber hinaus fordert Solimo dazu auf, Beschwerde bei der Fluggesellschaft Freebird einzulegen, die den Abschiebeflug organisiert.
Widerstand gegen Gayes Abschiebung regt sich derweil sogar im Ausland. In einem Brief an den Landkreis Börde meldete sich der Vizebürgermeister der französischen Stadt Marseille, Théo Challande Névoret, zu Wort und bat darum, »von der Durchführung dieser Abschiebungsmaßnahme abzusehen«. Névoret beschreibt Gaye, mit dem er persönlich befreundet sei, in seinem Schreiben als »Integrationsfördernden« und warnt, dass eine Abschiebung eine »ernsthafte Gefährdung seiner Sicherheit« darstelle.
»Die Behörden wussten, dass wir uns im Prozess der Eheschließung befinden – also hatten wir nicht erwartet, dass Yerro so plötzlich festgenommen und verhaftet wird. Das kann ich einfach nicht verstehen.«
Verlobte von Yerro Gaye
Wie Solimo mitteilt, engagierte sich Gaye »trotz seiner eigenen prekären Situation (…) in den vergangenen Jahren bei der Gruppe«. Er habe Unterkünfte von Geflüchteten in Sachsen-Anhalt besucht, die Bewohnenden über ihre Rechte informiert und Reden bei Demonstrationen gehalten.
Bis zum Entzug seiner Arbeitserlaubnis im Jahr 2023 soll der gelernte Grundschullehrer bei Hermes gearbeitet haben. Im selben Jahr habe er seine Partnerin kennengelernt. »Es ist ein richtiger Albtraum«, sagt diese. »Wir hatten Angst, dass es passiert. Aber die Behörden wussten, dass wir uns im Prozess der Eheschließung befinden – also hatten wir nicht erwartet, dass Yerro so plötzlich festgenommen und verhaftet wird. Das kann ich einfach nicht verstehen.«