Russland und die Ukraine greifen weiter die Infrastruktur des jeweiligen Kriegsgegners an. In der Nacht zum Mittwoch wurden ukrainischen Angaben zufolge Energieobjekte und die Eisenbahn in der Region Tschernihiw Ziel russischer Angriffe. Nach Angaben des regionalen Energieversorgers Tschernihiwoblenergo sind etwa 4500 Abnehmer ohne Strom. Bei einem Angriff auf ein Wärmekraftwerk seien zwei Mitarbeiter verletzt worden, teilte der Versorger DTEK mit. Die Anlage sei schwer beschädigt worden. In der Region kam es nach einem Angriff auf einen Güterzug Behörden zufolge außerdem zu Ausfällen im Zugverkehr um die Stadt Nischyn.
Die Ukraine soll ihrerseits mit Grad-Raketen einen Sportkomplex in der russischen Region Belgorod beschossen haben. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow sprach von mindestens drei Toten, unter den Trümmern werden noch Menschen vermutet. In den vergangenen Tagen wurde bereits ein E-Werk in der Regionalhauptstadt Belgorod durch die Ukraine zerstört. Zudem sollen ukrainische Drohnen das AKW Nowoworonesch getroffen haben, meldet der Betreiber Rosatom. Kiew kommentierte den Vorfall nicht.
Die Ukraine und insbesondere Russland haben in den vergangenen Tagen den Beschuss der Infrastruktur des Gegners intensiviert. Im Fokus dabei: die Energie und insbesondere die Gasförderung. Mindestens 26 Mal soll diese angegriffen worden sein.
Angesichts der Schläge gegen die Infrastruktur kurz vor Beginn der Heizperiode wirkte Präsident Wolodymyr Selenskyj verlegen, konnte Journalisten nicht wie gewohnt mit irgendwelchen markigen Sprüchen füttern und eine vermeintliche Lösung präsentieren.
Ukrainische Experten gehen davon aus, dass das Land zwischen zwei und drei Milliarden Kubikmeter zusätzlich importieren muss, je nachdem, wie schnell die eigenen Anlagen repariert werden und sich das Wetter entwickelt. Das zusätzliche Gas soll zwischen Dezember und Februar eingekauft werden und könnte bis zu 1,2 Milliarden Euro kosten. Geld, das der skandalträchtige staatliche Gaskonzern Naftogas nicht hat, zumal in den vergangenen Tagen ein neuer Korruptionsskandal ans Licht kam. Aushelfen sollen die Europäer mit Vergünstigungen und Krediten, so die Vorstellung in Kiew. Den Menschen in der Ukraine versprach Selenskyj, die Preise nicht anzuheben.
Um noch tiefer und massiver in Russland angreifen zu können und »einen Blackout in Moskau« zu verursachen, hatte Präsident Selensyj zuletzt lautstark Tomahawk-Raketen von den USA gefordert. Er habe eine Entscheidung über die mögliche Lieferung getroffen, sagte US-Präsident Donald Trump am Montag, ließ jedoch offen, wie diese ausgefallen ist.
Manche Beobachter werten die mögliche Lieferung und den Einsatz als Kriegsbeteiligung der USA. Moskau rief dazu auf, die Entscheidung »nüchtern« zu treffen. Der Impuls des Alaska-Treffens zwischen Trump und Russlands Staatschef Wladimir Putin sei »erschöpft«, hieß es weiter.
Ukrainische Politiker sind bisher zurückhaltend. Mehrere Abgeordnete gehen davon aus, dass mögliche Lieferungen sich über Monate ziehen würden. Und selbst dann sei nicht klar, ob Washington überhaupt den Einsatz in Russland erlaubt. Möglicherweise gehe es nur darum, mehr Druck auf Moskau ausüben zu können.
Aus ukrainischer Sicht wäre dies dringend nötig, da Russlands Armee an den Fronten in der Ukraine weiter massiven Druck ausübt. Nach langer Unterbrechung soll die russische Armee erneut im Gebiet Sumy vorrücken, meldet das dem Kiewer Verteidigungsministerium nahestehende Osint-Projekt Deep State. Auch im Gebiet Saporischschja sollen Moskaus Truppen vorankommen.
Ukrainische Telegram-Kanäle berichten mit Verweis auf Quellen im Generalstab, dass sich die Situation an der Front täglich verschlechtert. Glaubt man den Berichten, fällt die Stadt Kupjansk noch im Oktober an die Russen. Oberbefehlshaber Oleksandr Syrskyj soll den Befehl erhalten haben, bei Pokrowsk die Stellung zu halten, koste es, was es wolle. Andere Frontabschnitte sollen dafür vernachlässigt werden.
Für Ukrainer könnte es zukünftig noch schwerer werden, sich dem Fleischwolf an der Front zu entziehen. Die Mobilisierer der TZK sollen Zugang zu den persönlichen Daten der Menschen in der Ukraine erhalten. Ein weiterer Schritt, die skandalträchtigen TZK unbeliebter zu machen. Sie sorgen beinahe täglich mit Gewaltausbrüchen für Aufregung. Zuletzt berichtete der bekannte Jurist und aktuelle Offizier Serhij Horbatjuk, dass selbst Männer, die sich freiwillig zur Armee melden, in Keller eingesperrt werden. »Sie behandeln sie wie Schweine«, so Horbatjuk über die Mobilisierer.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194565.ukraine-krieg-ukraine-krieg-infrastruktur-im-visier.html