Die neue europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA hat ihre Arbeit aufgenommen. Das Akronym des Namens der Behörde mit Sitz in Frankfurt am Main steht für Anti Money Laundering Authority. »Wir wollen eine härtere Gangart gegen Finanzkriminalität[1] durchsetzen«, verspricht Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD). Erstmals ersetzt mit der neuen Behörde eine zentrale Instanz die bislang fragmentierten nationalen Aufsichtsstrukturen in den 27 EU-Staaten. Die AMLA könnte zum »Game-Changer« werden, der die Geldwäscher in die Defensive zwingt, so die Hoffnung.
Die Bundesregierung hatte im Februar 2024 den Zuschlag aus Brüssel erhalten. Bereits Christian Lindner (FDP), Finanzminister der vorherigen rot-grün-gelben Bundesregierung, hatte versprochen, Geldwäsche stärker zu bekämpfen. Es blieb bei Ankündigungen. Auch im Koalitionsvertrag der Regierung von Friedrich Merz (CDU) werden »entscheidende Verbesserungen« bei der Geldwäschebekämpfung angekündigt. Abhilfe kommt nun von der Europäischen Kommission in Brüssel.
Deutschland gilt international als ein »Geldwäsche-Paradies«[2]. Geldwäsche – da denken viele Menschen zuerst an dubiose Restaurants, Nagelstudios oder Barbershops. Nicht ganz zu Unrecht, doch das Rad, das Nadelstreifenkriminelle drehen, ist weit größer. Jährlich werden laut Schätzungen hierzulande rund 100 Milliarden Euro schmutziges Geld gewaschen. »Vermutlich ist es noch viel mehr«, sagte Birgit Rodolphe, Direktorin der Bundesfinanzaufsicht Bafin, bei einer Fachkonferenz des Deutschen Instituts für Interne Revision. Viele Formen der Organisierten Kriminalität wären ohne Geldwäsche kaum denkbar.
Unter Geldwäsche versteht man die Einschleusung von illegal erwirtschafteten Geldern in den legalen Finanz- und Wirtschaftskreislauf. Das Strafgesetzbuch belegt Geldwäsche in Paragraf 261 Abs. 1 mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.
Es ist jedoch nicht allein das geringe Strafmaß, das Kriminelle nach Deutschland zieht. Es ist auch die Größe des Wirtschaftsstandortes – und überforderte Behörden. Zwar melden Banken, Immobilienmakler und Notare mehrere Hunderttausend Verdachtsfälle pro Jahr an die zuständige Financial Intelligence Unit (FIU), eine Spezialeinheit des Zolls. Doch längst nicht alle Meldepflichtigen nehmen diesen Auftrag ernst. Die FIU wiederum ist personell unterbesetzt und technisch überfordert.
Die zunehmende Nutzung von Kryptowährungen[3] und dezentralen Finanzplattformen bringt neue Herausforderungen für die Zöllner mit sich. »In Kombination mit klassischen Transaktionsverfahren (über Banken) werden Geldflüsse komplexer und undurchsichtiger, was mit einer zunehmenden Anonymität der wirtschaftlich Berechtigten einhergeht«, warnen Berater von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in einer Analyse. Die Möglichkeiten zum Nachverfolgen von Transaktionen werden dadurch »grundlegend verändert und erschwert«.
Kriminelle nutzen außerdem herkömmliche Geschäftsfelder mit einem schwer nachvollziehbaren Geldfluss, um illegale Einnahmen als »echte« Umsätze zu verbuchen. »Dazu eignen sich zum Beispiel Wettbüros, Gastronomiebetriebe oder die Verschleierung von Zahlungsströmen über Korrespondenzbanken« im Ausland, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium. Dabei entstehen sogenannte Reinigungskosten: Wenn Kriminelle Schwarzgeld waschen, nehmen sie erhebliche Kosten in Kauf. Davon lebt eine ganze »Waschindustrie« aus Finanzprofis, Anwälten und Firmeninhabern weltweit.
Das Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg, Rom und Paris begrüßt die neue Anti-Geldwäsche-Behörde, warnt jedoch vor einem Papiertiger. AMLA müsse digitale Innovationen nutzen und Doppelstrukturen vermeiden, um das Vertrauen »in die Märkte« nachhaltig zu stärken, betont CEP-Expertin Anastasia Kotowski. Die zentrale Herausforderung wird im Verhältnis zu den nationalen Aufsichtsämtern liegen: Informationen müssen über Grenzen hinweg schneller fließen und gemeinsame Analysen nach klaren Standards ablaufen. »Nur mit innovativen Methoden der Datenanalyse lassen sich neue Typologien von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung frühzeitig erkennen«, ist Kotowski überzeugt.
Dabei dürfe die Aufsicht nicht in der bisherigen Fixierung auf Banken verharren. Immobiliengeschäfte, Kryptowährungen und Crowdfunding im Internet seien Einfallstore für illegale Geldströme. Wer lediglich Bankvorschriften kopiert, schaffe nur neue Bürokratie statt wirksamer Kontrolle. Besonders im Bereich der Kryptowährungen, wie Bitcoin oder Stablecoin, brauche es klare Regeln nach dem Grundsatz: gleiches Risiko wie Banken, gleichwertige Regulierung. Die EU könne damit globale Standards setzen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194636.finanzkriminalitaet-kampf-dem-geldwaesche-paradies.html