Der Verband Queere Vielfalt (LSVD) hat recht, wenn er schreibt: »Es ist überhaupt nicht begründungsbedürftig, warum die sexuelle Identität in den speziellen Diskriminierungsschutz des Art. 3[1] Abs. 3 ausdrücklich hinein gehört. Es ist begründungsbedürftig, dass sie da immer noch nicht drin ist.«
Dass im Grundgesetz nicht explizit[2] auf die Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung eingegangen wird – anders als im Fall von Geschlecht, Abstammung, »Rasse« (ja, auch das sollte geändert werden), Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauung und Behinderung –, ist ein Zeichen mangelnder Aufarbeitung des Nationalsozialismus[3]. Allein das sollte ausreichen, um eine Grundgesetzänderung anzugehen. Doch die Union winkt ab: Das sei bloße Symbolpolitik.
Selbst wenn das so wäre: Es wäre ein Symbol, das zählt. Eines, das anerkennt, dass die derzeitige Verfassung gleichgeschlechtliche Liebe auch nach 1949 nicht ausreichend geschützt hat: Lesbischen Müttern wurde bis in die 80er Jahre das Sorgerecht entzogen[4]; Paragraf 175, der Sex zwischen Männern verbot, stand noch bis 1994 im Strafgesetzbuch.
Wer sich die jüngste Bundestagsdebatte zum Thema angehört hat, kennt einen weiteren Grund, das Versäumnis endlich zu korrigieren: Zwischen Herabwürdigungen – ein AfD-Abgeordneter sprach von einem »abgelutschten Antrag aus der Schublade grüner Mist« – und offen queerfeindlichen Auslassungen beschwor der AfD-Abgeordnete Fabian Jacobi eine Zukunft, in der seine Partei über eine Sperrminorität in der Lage sein könnte, jede Verfassungsänderung abzulehnen.
Undenkbar sind solche Konstellationen im Bundestag nicht mehr. Dessen sollte sich die Union bewusst sein: Das Grundgesetz sollte nicht nur aus historischer Verantwortung heraus um den Begriff »sexuelle Identität« ergänzt werden – es geht auch darum, queeres Leben in der Zukunft zu schützen.