nd-aktuell.de / 12.10.2025 / Kommentare

Weltweit größte Überwachungsmaschine

An dem neuen Kontrollsystem für die EU-Außengrenzen gibt es einiges zu kritisieren

Matthias Monroy
Besucher*innen inspizieren ein System zur Gesichtserkennung auf einer Messe in China. Die EU hat jetzt im Sicherheitsbereich die weltweit größte Datei für die nötigen Bilder.
Besucher*innen inspizieren ein System zur Gesichtserkennung auf einer Messe in China. Die EU hat jetzt im Sicherheitsbereich die weltweit größte Datei für die nötigen Bilder.

Mit dem neuen »Ein-/Ausreisesystem« (EES)[1] will die EU »Overstayer« erfassen – Reisende, die mit gültigem Visum einreisen, den Schengen-Raum aber nicht fristgerecht wieder verlassen. Meldet das System auffällig viele verspätete Ausreisen von Menschen mit bestimmter Staatsangehörigkeit, können gezielte Maßnahmen gegen diese Gruppen ergriffen – oder die Visafreiheit für deren Herkunftsstaaten aufgehoben werden.

Das EES kommt Jahre verspätet und wird auch erst mal nur schrittweise umgesetzt. Schuld sind Firmen, die zwar Hunderte Millionen kassiert haben, für die Verzögerungen aber nicht zur Verantwortung gezogen werden. Hauptauftragnehmer ist Atos, dessen ehemalige Managerin Agbes Diallo später Direktorin bei eu-LISA wurde – jener EU-Agentur, die für die Superdatenbank zuständig ist, aber auf Schadensersatzforderungen an Atos verzichtet[2]. Ein Fall von Filz bei der EU-Kommission und ihren Agenturen?

Die Pläne für EES und das begleitende Reiseinformationssystem ETIAS reichen über ein Jahrzehnt zurück. Für die damalige »Initiative für intelligente Grenzen« hatte die Kommission 1,1 Milliarden Euro veranschlagt[3]. Einige Mitgliedstaaten lehnten das als zu teuer ab. Doch statt die Pläne wegen zu wenig Nutzen zu beenden, wurde ihr Zweck erweitert: Behörden dürfen nun Fingerabdrücke und Gesichtsbilder nicht nur zur Ausländerüberwachung, sondern auch für polizeiliche Ermittlungen nutzen – erst dadurch wird es rentabel. Was für ein Zynismus!

Bald wird das EES mehrere Hundert Millionen Gesichtsbilder und Fingerabdrücke enthalten. Damit entsteht die weltweit größte Biometrie-Datei im Sicherheitsbereich[4] – selbst in China, das Vielen als Inbegriff biometriebasierter Überwachung gilt, gibt es nichts Vergleichbares.

Dieser Datenkoloss dürfte weitere Begehrlichkeiten zur Überwachung wecken. Donald Trump steht schon in den Startlöchern: Die US-Regierung fordert von allen Teilnehmern des Visa-Waiver-Programms Zugriff auf biometrische Daten in deren heimischen Polizeidatenbanken[5]. Die größte Biometrie-Datei der Welt könnte bald ebenfalls auf Trumps Liste stehen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194658.ein-ausreisesystem-eu-beginnt-biometrische-grenzkontrollen-fuer-visafrei-reisende.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172074.biometrie-rochade-bei-eu-datenhamstern.html
  3. https://www.cilip.de/2012/12/05/seit-wann-sind-grenzen-intelligent-die-eu-will-mehr-lagebewusstsein-fuer-schengen/
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172472.informationssysteme-eu-errichtet-weltweit-groesste-biometrie-datei.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193650.erzwungene-grenzpartnerschaft-bruessel-will-polizeidatenbanken-fuer-us-grenzer-oeffnen.html