»Bruder, wir retten Europa und du Pussy gehst zur Seite – auf deiner krassen Antikriegsdemo warn drei Leute«, schallt das Berliner Rap-Trio K.I.Z. aus Boxen über den Nettelbeckplatz. Anders als im Song »Frieden« polemisch gemutmaßt haben sich dort rund 1000 Menschen versammelt. Sie sind trotz miesen Wetters am Sonntag auf die Straße gegangen, um gegen Aufrüstung im Wedding zu demonstrieren.
Seit Frühjahr dieses Jahres ist bekannt, dass Rheinmetall in dem Werk seiner Tochtergesellschaft Pierburg GmbH in Gesundbrunnen auf Rüstungsproduktion umstellt. Ab Sommer 2026 sollen in der Scheringstraße Waffen- statt Autoteile produziert werden. Damit werden das erste Mal seit Kriegsende 1945 wieder Waffen in Wedding produziert. Laut Angaben der Gewerkschaft IG Metall Berlin handelt es sich dabei um »Komponenten der Artilleriemunition für ein Rheinmetallwerk in Niedersachsen«. Demnach werden aus der Pierburg GmbH knapp 300 Beschäftigte übernommen und in die Rheinmetall Waffen Munitions GmbH übergehen.
Statt diesen Schritt zu begrüßen, wie es laut der IG Metall die Beschäftigten in dem Weddinger Werk tun würden, wollen die Demonstrant*innen der Aufrüstung den Kampf ansagen. Die Reden sind von Wut über den Profit am Kriegsgeschäft geprägt, vom Leid der Palästinenser*innen in Gaza, von Kritik an Sozialkürzungen und an der israelischen Besatzungspolitik.
An der Demonstration beteiligen sich unter anderem die Bildungsgewerkschaft GEW, der Landesverband der Linken[1], die DKP, der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall, das Vereinigte Palästinensische Nationalkomitee (VPNK), Young Struggle und das Stadtteilkomitee Wedding. Sie alle gehören zum Berliner Bündnis gegen Waffenproduktion, an dem sich insgesamt 31 Gruppen beteiligen.
Das Bündnis fordert 500 Milliarden Euro für Investitionen in Gesundheit, Bildung und Soziales statt in Waffen. »Wir verlangen den Erhalt der Arbeitsplätze in Wedding, aber eine Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich und ökologisch benötigte und sinnvolle Produkte«, teilt das Bündnis mit. Rheinmetall bereichere sich an Kriegen. »Die 155-mm-Artillerie-Munition, für die in Wedding Teile hergestellt werden sollen«, werde von Nato-Staaten eingesetzt und »skrupellos« exportiert, beispielsweise in die Ukraine, Saudi-Arabien und die Türkei. »Auch das israelische Militär setzt Panzerkanonen und Munition von Rheinmetall beim Genozid in Gaza ein«, heißt es ferner.
Dabei fehle es in Wedding an Geld für Schulen, soziale Zentren und Spielplätze, wie mehrere Sprecher*innen auf der Bühne sagen. Auffallend viele Kinder sind auf der antimilitaristischen Demonstration zu sehen. Eines hält ein Schild in der Hand. »Ich will nicht in den Krieg«, ist darauf zu lesen.
»Wir verlangen den Erhalt der Arbeitsplätze in Wedding, aber eine Umstellung der Produktion auf gesellschaftlich und ökologisch benötigte und sinnvolle Produkte.«
Berliner Bündnis gegen Waffenproduktion
Ein Sprecher des Stadtteilkomitees Wedding informiert über Organisierungsmöglichkeiten im Kiez: Ein Treffen in dem Stadtteilladen Rote Ella stehe allen offen, die sich gegen die Waffenproduktion verbünden wollen. Außerdem werde die Gruppe in den kommenden Wochen Haustürgespräche machen. Sie verteilt auf der Demonstration selbstgebastelte Wimpel, die sich Weddinger*innen ins Fenster hängen können. Darauf ist »Wedding gegen Waffenproduktion« zu lesen.
»Ihr baut hier eine Waffenfabrik inmitten unseres Kiezes, aber wir wurden nicht gefragt«, sagt ein Sprecher des VPNK. Seine Rede widmet er dem »Kampf gegen Kolonialismus, Imperalismus und Zionismus«. In Gaza habe man in den vergangenen zwei Jahren einen »Livestream-Genozid«[2] beobachten müssen, während Berliner*innen im Kampf dagegen von der Polizei brutal geschlagen worden seien. Er verweist auf den Angriff der Polizei auf einen Mann und ein kleines Kind am Samstag auf der »United 4 Gaza«-Demo[3]. »Unsere Sache ist internationalistisch, nicht identitär«, sagt er abschließend.
Der Nettelbeckplatz ist inzwischen voller roter Fahnen, palästinensischer Flaggen und Transparenten gegen Militarismus. Unter der Statue, die auf dem Platz steht, hat jemand bereits »Martha Ndumbe Platz« geschrieben. Die offizielle Umbenennung des Platzes in Erinnerung an die Schwarze Berlinerin, die im KZ Ravensbrück von den Nazis ermordet wurde, steht noch bevor.
Bevor die Kundgebung nach zwei Stunden in einen Demonstrationszug übergeht, tritt das Moabiter Theater X[4] auf. Einer der Schauspieler stellt Rheinmetall-Chef Armin Papperger dar. »Wir müssen wachsen, denn Feinde gibt es überall«, sagt er. Unter Lachern sagt er, wie wichtig die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie seien. Ein Sprecher hatte zuvor auf der Bühne darauf hingewiesen, dass es nicht die Rüstungskonzernbetreiber seien, die im Krieg sterben, sondern die arbeitende Bevölkerung.
Während der Demonstration der Kriegsgegner*innen sei es zu 20 Festnahmen gekommen, teilte die Berlin Polizei dem »nd« mit. Demnach hätten 500 Menschen am Protest teilgenommen.