nd-aktuell.de / 13.10.2025 / Kultur

Youtuber Marcant: Mit Voxpop gegen den Rechts­extremismus

Youtuber Marcant geht dahin, wo es weh tut: Auf rechten Demos kommt er mit den Teilnehmern ins Gespräch und konfrontiert sie mit Fakten

Antonia Leise
Mit Mut und Neugier gegen Rechts. Wahrscheinlich darf man mit über zwei Metern Körpergröße bei autoritären Persönlichkeiten wenigstens eine Frage stellen.
Mit Mut und Neugier gegen Rechts. Wahrscheinlich darf man mit über zwei Metern Körpergröße bei autoritären Persönlichkeiten wenigstens eine Frage stellen.

Mit Rechten kann man nicht diskutieren? Seit einem Jahr versucht es Youtuber[1] und Twitch-Streamer Marcant trotzdem. Marcant heißt eigentlich Marc (bisher ohne Nachnamen in der Öffentlichkeit, aus Sicherheitsgründen), ist 23, Jura-Student – und als linker Content Creator regelmäßig auf rechten Demos unterwegs.

Am Anfang sei er noch geschockt gewesen, erzählte er im September dem WDR. »Aber irgendwann bleibst du dann locker und entspannt, weil du das schon hundertmal gesehen hast.« Richtig angefangen mit den Demo-Interviews hat er Anfang 2025. Warum? »Weil ich das nicht mehr mit ansehen konnte, dass (…) diese Menschen so laut sind.«

»Für die Leute, die ich da irgendwie rausholen kann.«

Als laut kann man Marcant wirklich nicht bezeichnen. Er sei »leise laut«, wie er in einem Youtube-Video von einer Demo in München einem linken Demonstranten erzählt. Den Großteil des Videos spricht er allerdings gerade nicht mit den linken Demonstranten – sondern mit den rechten. Bleibt ruhig, freundlich und vor allem nah an den Fakten. Und manchmal funktioniert das.

Auf Instagram, wo ihm 131 000 Menschen folgen, bekommt Marcant regelmäßig Nachrichten von Leuten, die sich aufgrund seines Contents haben umstimmen lassen, die weggerückt sind von rechtsextremem Gedankengut. »Es kann keine bessere Motivation geben, als diese Nachrichten zu bekommen«, schreibt der Creator unter einem der Posts, in dem er (anonymisierte) Privatnachrichten von Zuschauern teilt.

Man kommt fast nicht darum, sich zu fragen: Ist das zu schön, um wahr zu sein? Oder gibt es doch noch Hoffnung für die Diskussionskultur anno 2025?

Ganz so einfach ist die Sache natürlich nicht. Aber Marcants Arbeit ist vor allem eines: eine längst überfällige Formatentwicklung in der linken Medienlandschaft.

»Die AfD [ist] auf Tiktok bei den Erstwählerinnen und Erstwählern doppelt so erfolgreich […] wie alle anderen Parteien zusammen«, hieß es in einer Studie der Universität Potsdam im Zuge der Landtagswahlen in den östlichen Bundesländern 2024.

Vor der Bundestagswahl Anfang des Jahres konnte zwar vor allem Die Linke aufholen – Bundestags Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek bringt es momentan auf mehr als 600 000 Follower bei Tiktok – aber auch hier dominiert die AfD: Alice Weidel zählt im Vergleich fast eine Million Follower. Und das auf einer Plattform, die in Deutschland laut Statista von immerhin 63 Prozent aller Mitglieder der Gen Z regelmäßig genutzt wird.

Rechte Reichweite boomt. Immer noch. Auch weil die Rechte Memes zu nutzen weiß – und eben auch Plattformen wie Tiktok. Was Marcant macht, ist hier ein Gegengewicht setzen, teilweise mit den Tricks, die auch für rechten Content gut funktionieren.

Ein rechter Influencer habe ihn inspiriert, erzählte er im Juli der »Taz«: »Nicht in seinem Inhalt, sondern in seiner Machart: seine Cuts, seine Kameraführung, der Aufbau, Titel.« Das, führt er anschließend fort, müsse doch auch mit demokratischem Content funktionieren. Und das tut es auch.

Marcant versteht, wie man virale Sounds und Formate für teils ernste Themen einsetzen kann – um eben genau die verdaulicher und damit auch zugänglicher für die Zuschauer zu machen, an die dieser Content vor allem gerichtet ist.

»Aber nicht jeder war ein Nazi« spielt zum Beispiel die Tonspur eines jungen Mannes, mit dem Marcant in einem Video diskutiert, hinterlegt mit einem populären Tiktok-Soundbite, das mit lächerlichen Gesprächen assoziiert wird. »Aber wie nennst du es denn?« – »Nationalsozialisten. Aber wenn man ein Nationalsozialist ist, ist man nicht automatisch ein Nazi.«

Marcants Zielgruppe kennt nicht nur den Kontext dieses Memes, sondern wird auch verstehen, wieso es sich für genau diese Tonspur so anbietet. Und ja, manch einen wird das vielleicht zum Nachdenken bringen.

Womit die Kanäle von Marcant ansonsten bestückt sind, sind sachliche Diskussionen (kurz auf Instagram und Tiktok, lang auf Youtube), schnellen Cuts und einer guten Dosis Humor.

Kein Wunder, dass das vielen Rechtsextremen mittlerweile sauer aufstößt. In einem seiner Kurzclips reagiert Marcant auf die Warnung eines Redners, nicht mit ihm zu sprechen. Zum Glück sei er leicht erkennbar: »Er ist zwei Meter und zehn, dann sieht man ihn auch.« Mittlerweile kenne er alle, sagte Marcant dem WDR: »Und leider kennen alle auch mich.«

Zu Angriffen sei es noch nicht gekommen, er sei zwar schon geschubst und angegangen worden, aber nichts, das »längere Schäden mit sich bringt.« Lohnen würden sie sich trotzdem, die ganzen Demo-Interviews: »Für die Leute, die ich da irgendwie rausholen kann.«

Links:

  1. https://www.youtube.com/@vollmarcant