René Benko, um ihn scharten sich einst Leute in Österreich, wie um einen festen Himmelskörper im Austro-Kosmos. Ein Unternehmer, in dessen Licht man sich sonnte[1] – Politiker fanden sich da ein, Ex-Politiker, Unternehmer, Promis und solche, die gerne welche werden wollten. Früher einmal pflegte man salbungsvolle Höflichkeiten auszutauschen in diesen Kreisen rund um das Immobilien- und Handelsunternehmen Signa. Aber so ist es, wenn ein Fixstern plötzlich implodiert: Die Höflichkeiten sind Schweigen gewichen und das Schweigen Milliarden-Forderungen.
Am Dienstag beginnt der erste Prozess gegen Benko in Innsbruck. Angeklagt ist der 48-Jährige zunächst einmal wegen betrügerischer Krida. Im österreichischen Rechtswesen versteht man unter Krida die betrügerische oder grob fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch einen Schuldner, im Deutschen also etwa eines Bankrotts.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft Benko vor, 660 000 Euro beiseitegeschafft und damit Gläubiger geschädigt zu haben. Wohlgemerkt: Das ist die erste Anklage. Darin geht es zunächst nicht um das fragwürdige Konstrukt des Signa-Konzerns und Benkos Rolle darin, sondern um die Frage, was nach der Pleite der Signa passiert ist. Und auch dabei nur um einen Teilaspekt: Gegen eine zweite Anklage wegen betrügerischer Krida, in der es um 370 000 Millionen Euro geht, haben Benko und Mitangeklagte Einspruch erhoben.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft geht davon aus, dass Benko wie ein »Alleinherrscher« agiert hat.
Was Österreichs Justiz damit bevorsteht, ist eine Serie von Verfahren, die Superlative verdient. Denn noch ist nicht einmal das Ausmaß der Pleite erhoben. Genauer gesagt: das der internationalen Verschachtelung von Signa sowie die Rolle Benkos sowie seiner Privatstiftung. Ermittelt wird zudem in Italien wie auch in Deutschland[2]. Beide Staaten haben Haftbefehle ausgestellt. Deshalb wurde Benko ausschließlich über österreichisches Staatsgebiet von Wien nach Innsbruck gebracht – der einfachere Weg auf Straße und Schiene verläuft über das »Deutsche Eck« über Rosenheim in Bayern.
Die Causa Signa-Benko ist die größte Pleite in Österreichs Nachkriegsgeschichte. Und es ist eine Pleite mit Strahlkraft in viele Bereiche der österreichischen Gesellschaft. Benko war breit aufgestellt: Sebastian Kurz (Ex-Kanzler der Österreichischen Volkspartei, ÖVP), Alfred Gusenbauer (Ex-Kanzler der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, SPÖ), Hans Peter Haselsteiner (Großunternehmer mit Neigung zu den liberalen Neos) und viele andere waren mit Signa verflochten. Mit der Pleite folgte die Einsicht, dass dieser Konzern im Grunde ein Pyramidenspiel war. Schließlich folgte der Privatkonkurs Benkos.
Jetzt wirkt dieser Kreis wie ein Schwarm Aasgeier, bedacht darauf, ein Stück Kadaver zu ergattern. So forderte Gusenbauer (Ex-Aufsichtsratsvorsitzender von Signa-Prime) 6,3 Millionen aus der Konkursmasse und besteht darauf, nichts über die Lage der Gruppe gewusst zu haben. Benko behauptet wiederum, Gusenbauer wie auch Haselsteiner seien sehr wohl unterrichtet gewesen. Der ehemalige Berater Benkos, der Investor Dieter Berninghaus, fordert von Benkos Privatstiftung 115 Millionen Euro und wirft Benko »Bespitzelung« vor.
Nach der Signa-Pleite erhob auch Kurz eine Forderung von 1,6 Millionen Euro für Vermittlungstätigkeiten. Überliefert ist, dass Kurz Benko bei der Suche nach Investoren in Abu Dhabi geholfen hat – erstmals bei einem Staatsbesuch als Kanzler 2018. Dann erneut als Kanzler bei einem Staatsbesuch, bei dem es um Energieprojekte ging, im Oktober 2021, also knapp vor seinem Rücktritt im April 2022.
Nach seinem Rücktritt begann Kurz als Europa-Direktor des in Energiefragen engagierten Staatsfonds von Abu Dhabi, Mubadala, zu arbeiten – der auf Anraten von Kurz wiederum in Signa investierte. Kurz verzichtete schlussendlich auf die Millionen-Forderung. Sie hätte einiges an Aufmerksamkeit auf diese Abfolge gerichtet. Zumal Kurz’ Gesamtrechnung an Signa 2,4 Millionen ausgemacht hatte – 750 000 Euro also bereits beglichen waren.
Dass sich bei der juristischen Aufarbeitung der Pleite alles auf die Privatstiftung Benkos richtet, hat seinen Grund: Im Geflecht der Signa-Gesellschaften, die zum Teil einander finanzierten, dürfte der Privatstiftung die Rolle der Geldschleuse in den Benko-Häfen zugekommen sein. Im Raum steht der Verdacht, dass aus dem Geldkreislauf zwischen Signa-Gesellschaften immer wieder Geld auf das Konto der Stiftung überwiesen wurde.
Signa-Investoren brachten nun Forderungen in der Gesamthöhe von 2,36 Milliarden Euro ein – wovon 130,6 Millionen vom Insolvenzverwalter für berechtigt anerkannt wurden. Das Problem dabei: Benko hatte in der Signa keinerlei offizielle Funktion. Die WKStA geht aber davon aus, dass Benko wie ein »Alleinherrscher« agiert hat. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194683.rene-benko-signa-holding-pleiten-mit-strahlkraft.html