nd-aktuell.de / 13.10.2025 / Kultur

»Eure Dickpics könnt ihr stecken lassen«

Ein Chat zwischen zwei Freundinnen über Mareike Fallwickls und Eva Reisingers feministische Story­collage »Das Pen!smuseum«

Marit Hofmann
Es ist kalt im »Pen!s­museum«.
Es ist kalt im »Pen!s­museum«.

Marlen: Hey, Schnitte, was geht?

Irina: Ach, frag nicht, Sista. Musste eben einen Typen trösten, der mir mansplainen wollte, wie mein Job geht, und dann verletzt war, als ich ihm das gesagt hab.

Marlen: Och, der Arme! *Tränenlachsmiley*

Irina: Bin voll auf Krawall gebürstet, weil ich grad dieses Buch gelesen habe: »Das Pen!smuseum«. Das führt einer so krass vor Augen, dass Frauen neben all dem Wahnsinn auch noch emotionale Care-Arbeit für die Typen[1] leisten, unbezahlt natürlich. Und dann dachte ich: Hey, warum hab ich den jetzt getröstet? Der wär doch jetzt mal dran mit An-sich-Arbeiten und Entschuldigen. Eine Chefin im Buch lässt sich übrigens absichtlich zuviel Botox spritzen, damit sie nicht mehr lächeln kann.

Marlen: Langsam werde ich neugierig. Von wem ist das Buch?

Irina: Von Mareike Fallwickl und Eva Reisinger, österreichische Feministinnen.

Marlen: Von Fallwickl kenn ich »Die Wut, die bleibt«, das hier scheint in eine ähnliche Richtung zu gehen?

Irina: Ja, nur wirkt es manchmal wie eine Fingerübung. Die Autorinnen haben verschiedene Textformen ausprobiert, was sicher viel Spaß machte und auch für die Leserinnen höchst kurzweilig ist. Manche Kapitel sind einfach Whatsapp-Chats zwischen Freundinnen. Der Debütroman von Eva Reisinger hieß übrigens »Männer töten« und geht in Richtung Revenge und Matriarchat …

Marlen: *Geballte Faust*

Irina: Zuerst dachte ich, das ist so eine feministische Agitprop-Geschichtensammlung und fand die Storys eher belanglos – Häppchen, die nicht sattmachen. Bis ich merkte, dass es gar keine einzelnen Geschichten sind, sondern alles zusammenhängt, Figuren und Aktionen tauchen in anderen Kapiteln wieder auf. Zum Beispiel eben das »Pen!smuseum«, in dem eine Künstlerin erschlaffte Glieder, die sie heimlich fotografiert hat, nur für Flintas ausstellen will …

Marlen: Hihi, so von wegen: Eure Dickpics könnt ihr stecken lassen …

Irina: Um es mit Sophia Süßmilch, einer von zwei Gastautorinnen, zu sagen: »Lebensgeschichten treffen aufeinander in all ihrer Fülle und lösen sich auf im Lachgesang über den Schwanz.« *Lachsmiley* Süßmilchs Beitrag »Die Beidlin« find ich am aufregendsten, weil da feministische Erzähltheorie drinsteckt und die Frage, wie feministische Kunst überhaupt in einem patriarchalen Marktsystem funktionieren kann. Es ist auch noch eine Illustratorin mit im Boot, und eigentlich ist das Ganze so ein selbstermächtigendes Gemeinschaftsprojekt, wie es die Figuren von Jung bis Alt auch im Buch entwickeln: aus Solidarität zum Beispiel mit dem Vergewaltigungsopfer Gisèle Pélicot oder den Leidtragenden des Abtreibungsverbots in Polen – Akte gegen internalisierte Misogynie und »Stutenbissigkeit«.

Marlen: Da fällt mir ein, dass ich da was gelesen habe: Ist das das Buchprojekt, bei dem es vorab schon trouble gab, weil eine Autorin wegen TERF-Vorwürfen rausgeschmissen wurde?

Irina: Ja, da hat sich die Presse natürlich drauf gestürzt[2], von wegen »streitende Weiber«, wie Reisinger meint. Verlag und Autorinnen wollen die transexkludierenden Thesen der Schriftstellerin Gertraud Klemm vorher nicht gekannt haben und wollten sich abgrenzen. Passiert ja eigentlich alle naselang, dass angekündigte Beiträge in Sammelbänden nicht erscheinen.

Marlen: Stimmt, und da schreien nicht gleich alle: Zensur! Muss ich »Das Pen!smuseum« jetzt also lesen?

Irina: Es ist sehr spritzig und hat gute Vibes, aber versprich dir nicht zu viel. Mir sind die Feindbilder teils ein bisschen zu einfach. Die meisten Typen, die im Buch vorkommen, gehen gar nicht und ich frag mich, warum die Frauen sich mit denen abgeben. Interessanter wird’s im Gastbeitrag von Johanna Reisinger: Da fällt einer im Restaurant theatralisch vor seiner Begleitung auf die Knie, um sich »für mich« und »für mein Mannsein« zu entschuldigen, und erntet nur peinlich betretenes Schweigen – und den Hass der Kellnerin, weil er die Tischdecke voller Geschirr dabei runtergezogen hat und sie den Dreck wegmachen darf. Wobei sie ihm »aus Versehen« seinen Drink in den Schritt schüttet.

Marlen: Kreisch! Da kriegt also einer, der seine »Männlichkeit selbstkritisch hinterfragt«, sein Fett weg.

Irina: Genau. Oder Väter, die gelobt werden wollen, weil sie mit den Kindern mal am Sonntag ins Schwimmbad gehen. Ich fürchte trotzdem, dass sich die meisten linken Männer nicht mitgemeint fühlen, und das ist doch schade.

Marlen: Jammerschade. Die tragen das Buch wahrscheinlich noch als Perfomative Males demonstrativ herum, um Feministinnen abzuschleppen.

Irina: Aber es gibt auch ein paar Racheakte, die unter die Gürtellinie gehen, wenn du verstehst …

Marlen: Du meinst doch nicht etwa Gewalt gegen Männer?!

Irina: Umkehr, sagt Fallwickl, ist ein »literarisches Mittel, um Missstände aufzuzeigen, die vollkommen normalisiert sind«. *Zwinkersmiley* Und sie sagt: »Subtil ist aus.«

Marlen: Okay, wann kann ich das Buch leihen?

Irina: Ich bring es dir nachher zum Zumba mit. Das zeigen wir dann diesem Macho-Trainer Ronnie und machen ihm ein bisschen Angst mit dem verknoteten Pimmel auf dem Cover.

Marlen: Kann’s nicht erwarten.

Mareike Fallwickl/Eva Reisinger: Das Pen!smuseum. Mit Texten v. Jovana Reisinger, Sophia Süßmilch u. Illustr. v. Andrea Zapata Scharf. Leykam, 232 S., geb., 25 €.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191557.kinder-und-familie-heide-lutosch-der-kapitalismus-fordert-viel-liebe.html?sstr=care-arbeit
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192199.gertraud-klemm-so-viele-personen-so-wenig-menschen.html?sstr=gertraud|klemm