nd-aktuell.de / 14.10.2025 / Sport

Joshua Kimmich: Ein guter Kapitän gibt Sicherheit

Der 30-Jährige hält das DFB-Gebilde beim 1:0-Sieg in Nordirland zusammen

Alexander Ludewig
Konkurrenzloser Kapitän: Joshua Kimmich überzeugt als Rechtsverteidiger.
Konkurrenzloser Kapitän: Joshua Kimmich überzeugt als Rechtsverteidiger.

Fußball funktioniert mehr denn je als Tagesgeschäft. Das hat neben all den substanzlosen Schlagzeilen, die bei der medialen Jagd nach Aufmerksamkeit produziert werden, auch Vorteile. Musste sich Bundestrainer Julian Nagelsmann[1] noch am Freitag in Sinsheim bohrenden Fragen zu Joshua Kimmich stellen, spielte die Personalie des DFB-Kapitäns am Montagabend in Belfast überhaupt keine Rolle mehr.

Kritik und Spitze

Den sportlich positiven Aspekt der Schnelllebigkeit nutzten die deutschen Fußballer und schossen sich mit zwei Siegen aus dem Fokus der Kritik und in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft an die Spitze der Gruppe A. Nach dem 4:0 im Heimspiel gegen Luxemburg[2] folgte nun ein hart erkämpftes 1:0 im Windsor Park.

Dass der Treffer von Nick Woltemade[3] aus der 31. Minute gegen die fußballerisch zwar limitierten, aber sehr robusten und zielstrebigen Nordiren laut Nagelsmann letztlich zu einem »dreckigen Sieg« reichte, hat wiederum viel mit Kimmich zu tun. Wie selbstverständlich verteidigte der 30-Jährige hinten rechts – als hätte es diese aufgeregten Diskussionen über seine Position, System und Taktik der DFB-Elf und den Fehler des Bundestrainers nicht gegeben.

»Als klassischer Rechtsverteidiger ist er nach wie vor konkurrenzlos«, sagte Nagelsmann Anfang September zum Start der neuen Länderspielsaison über Kimmich und ließ ihn dennoch im Mittelfeld spielen. Der Bundestrainer wollte mit Blick auf die WM 2026 sein System im Zentrum stabilisieren und das Spiel seines Teams dominanter gestalten. Beides funktionierte nicht. Das bewies der erschreckend schwache Auftritt beim 0:2 zum Start der WM-Qualifikation in der Slowakei[4] in aller Deutlichkeit.

Falscher Plan und Erklärungen

Einerseits hätte es Nagelsmann besser wissen müssen, schließlich war bei seiner Kader-Revolution im März 2024[5], die die Mannschaft nach jahrelanger Tristesse erstaunlich schnell wieder in die Weltspitze vorstoßen ließ, die Versetzung von Kimmich auf die rechte Abwehrseite eine der entscheidenden Maßnahmen. Andererseits ist die Argumentation des Bundestrainers nicht schlüssig. Weil die Zeit bis zur WM im kommenden Sommer zu kurz sei, wolle er im Mittelfeld als »Herzstück« seines Teams auf Experimente verzichten. Deutlich weniger Zeit hatte der Bundestrainer damals bis zur EM im Sommer 2024[6], die nur wegen seiner radikalen Maßnahmen wenige Monate zuvor zu einem Erfolg geworden war.

Nun ist längst nicht wieder alles gut. Wie schnell im Tagesgeschäft Fußball hart erkämpftes Selbstvertrauen und erspieltes Selbstverständnis zerstört werden können, zeigten auch die beiden Auftritte gegen Luxemburg und Nordirland. Leichtigkeit, Spielfreude, Torgefahr – von all dem, was das DFB-Team unter Nagelsmann schon gegen starke Gegner wie Frankreich, Spanien[7], Italien[8] oder die Niederlande[9] gezeigt hat, fehlte noch sehr viel.

Widerstand und Kampf

Zurück aber ist die Widerstandsfähigkeit. Diese verkörperte in Belfast Kapitän Kimmich, der nach dem Abpfiff sagte: »Es war ein einziger Kampf und ging nur ums Ergebnis.« Dabei spielt bestimmt auch die zuletzt wieder kritisierte Einstellung eine Rolle. Doch wenn ein Team aufgrund von vorgegebenen Fehlern in Aufstellung, System und Taktik vollkommen verunsichert ist, kann selbst mit Leidenschaft geführter Fußballkampf hilflos wirken.

Gegen wild-wuchtig anstürmende Nordiren hielt das DFB-Gebilde stand, dem ein Rechtsverteidiger Kimmich viel Sicherheit gibt. Weil er dort einer der Weltbesten ist. Und weil die Position eines Außenverteidigers[10], für die es nicht nur im deutschen Fußball zu wenig Spieler mit ausreichender Qualität gibt, einen großen Einfluss auf das gesamte Spiel hat: Sie wirkt defensiv nach innen, nach vorn und ins Mittelfeldzentrum. Entsprechend zufrieden registrierte der Bundestrainer nach der Partie: »Wir können uns auf solche Spiele einlassen.« Und während Nagelsmann in Sinsheim seine Umstellung noch mit umständlichen Worten rechtfertigen musste, um nicht von einer Fehlerkorrektur sprechen zu müssen, überstand er die Spielanalyse in Belfast ohne Nachfrage zu seinem Kapitän und dessen Position. Wichtiger waren schon wieder andere Sachen wie das erste Länderspieltor von Woltemade oder die anhaltende Torwartdiskussion.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186931.nations-league-dfb-team-julian-nagelsmann-freut-sich-ueber-das-grosse-ganze.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194663.fussball-wichtiger-rueckenwind-fuer-die-deutsche-nationalmannschaft.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192650.ballhaus-ost-woltemaderscher-identitaetsverlust.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193836.wm-qualifikation-dfb-team-julian-nagelsmann-kontert-seine-eigene-revolution.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180966.fussball-dfb-team-gegen-frankreich-diskussionen-ueber-julian-nagelsmann.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183526.dfb-team-raus-mit-applaus-nagelsmann-mit-makel-und-titeltraum.html
  7. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183711.fussball-em-spanien-startet-nach-dem-sieg-gegen-england-in-eine-neue-aera.html
  8. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189970.nations-league-im-ansatz-uebermuetig-julian-nagelsmann-und-das-dfb-team.html
  9. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186026.nations-league-das-dfb-team-setzt-gegen-die-niederlande-einen-meilenstein.html
  10. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194555.fussball-die-dauerbaustelle-der-nationalmannschaft.html