Die Choreografie auf der Bühne des Treffens in Scharm El-Scheikh war pompös. 20 Staatsoberhäupter und Regierungschefs hatte Donald Trump hinter sich versammelt, vor dem US-Präsidenten stand auf einem Schild »Frieden 2025«. Die feierliche Unterzeichnung des Abkommens zur Beendigung des Krieges in Gaza begann hoffnungsvoll. Und chaotisch.
Europäische Regierungschefs wie Giorgia Meloni und Keir Starmer, aber auch Ko-Gastgeber Abdel Fattah Al-Sisi hatten drei Stunden auf den verspätet aus Jerusalem angereisten US-Präsidenten gewartet. Während seiner launigen Rede wurden sie entweder gelobt oder kurz an das Redepult gebeten.
Zwei Jahre lang bewegten die grauenhaften Bilder von toten Zivilisten und sterbenden Kindern in den Armen ihrer Eltern Menschen rund um den Globus. Mit Trumps zahlreichen Abweichungen vom Protokoll bekam das Ende des Massakers teilweise komische Züge. Meloni sei hübsch, sagte er, Starmer ließ er wie einen Schuljungen wortlos vortreten.
In Gaza, Israel und der gesamten Region fanden die Details des Treffens in Ägypten keine große Beachtung. Einerseits herrscht Freude über das noch vergangene Woche für unmöglich gehaltene Ende des Sterbens, andererseits Erschütterung über die Berichte der politischen Gefangenen über Folter in israelischen Haftanstalten und der israelischen Geiseln über ihr Leben in den Tunneln der Hamas.
Zudem ist jetzt schon klar: Das von Ägypten, der Türkei, Katar und den USA unterzeichnete Abkommen ist nicht das Ende eines 3000 Jahre alten Konfliktes, so wie Trump es formulierte. Es ist nur die erste Phase eines vagen Abkommens.
»Der am Dienstagmorgen veröffentlichte Text ist eine Erklärung des guten Willens, zukünftig Konflikte friedlich beizulegen, es ist kein konkreter Plan«, so der ehemalige Diplomat Alon Finkas in Tel Aviv. »Nun müssen konkrete Schritte für eine Zweistaatenlösung folgen.«
Doch dass schon der stufenweise Rückzug der israelischen Armee oder die zukünftige Entwaffnung der Hamas große Herausforderungen sind, zeigte sich umgehend. Nur vier der 28 bereits verstorbenen israelischen Geiseln konnten am Montag Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Empfang nehmen.
Der Machtkampf zwischen der Hamas und offenbar von der israelischen Armee ausgerüstete Milizen kostete mindestens 33 Menschenleben. Ein in sozialen Medien kursierendes Video zeigt die öffentliche Exekution von Kämpfern des Doghmusch-Clans, die am Sonntagmorgen in Gaza-Stadt mehrere zurückkehrende Bewohner und den Journalisten Saleh Al-Dschafarawi erschossen hatten.
Man werde keine anderen bewaffneten Gruppen und Verräter im Gazastreifen dulden, heißt es in einer Erklärung der Hamas. Die Omnipräsenz ihrer bewaffneten Kämpfer auf den Straßen zeigt, dass die Übergabe der Macht an eine technokratische Regierung noch in weiter Ferne liegt. Und dass Donald Trump zwar das Lob für seinen handstreichartigen Frieden einheimst. Aber dass es die arabischen Länder sind, die seinen 20-Punkte-Plan in Gaza umsetzen müssen.
In Ägypten werden bereits 5000 palästinensische Sicherheitskräfte ausgebildet, sie sollen zusammen mit einer von muslimischen Ländern angeführten Stabilitätstruppe für Ordnung sorgen. Doch da die Grenze zwischen der Hamas und der israelischen Armee nur grob bekannt ist, dürfte die zahnlose Blauhelmmission schnell zwischen die Fronten geraten. Am Dienstagmorgen tötete eine Drohne fünf Rückkehrer nahe ihrer Wohnung im Shudschaija-Bezirk von Gaza-Stadt. Nur wenige der 400 000 zurückgekehrten Bewohner wissen, wo die sogenannte Gelbe Linie verläuft.
Auch an weiteren ungeklärten Fragen mangelt es nicht. Zwar hatte Trump mit Mahmud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, in Scharm El-Scheikh länger als mit jedem anderen Gast gesprochen. Doch ob dieser Gaza und das Westjordanland vereint regieren darf, ist ungewiss. Benjamin Netanjahus radikale Koalitionspartner leben alle in den illegalen Siedlungen und würden Abbas und seine Regierung am liebsten sofort entmachten. »Im Schatten des Genozids in Gaza haben die Siedler einen stillen Krieg begonnen«, sagt der palästinensische Menschenrechtsaktivist Issa Amro aus Hebron.
Viele im Gazastreifen und dem Westjordanland wollen zumindest die ersten Schritte auf dem Weg zu einer gemeinsamen Selbstverwaltung beider Gebiete. Doch ihre Zukunft wird in dem 20-Punkte-Plan nur am Rande erwähnt, Trump forderte sie in seiner Rede zur Fokussierung auf Wohlstand auf, Netanjahu sprach kein Wort über diejenigen, die er zwei Jahre lang bombardieren ließ.
Netanjahu will die israelische Besatzung unverändert fortführen. Damit bleibt auch nach Scharm El-Scheikh der Hauptgrund des Konfliktes weiter bestehen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194746.gaza-krieg-gipfel-des-guten-willens-in-aegypten.html