nd-aktuell.de / 15.10.2025 / Politik

Nordrhein-Westfalen: Arbeitsgerichte vor Schließung

Justizminister will Strukturen optimieren

David Bieber
Nach Medienberichten soll das Arbeitsgericht in Essen mit dem in Oberhausen fusionieren.
Nach Medienberichten soll das Arbeitsgericht in Essen mit dem in Oberhausen fusionieren.

Wie man bei der Arbeitsgerichtsbarkeit Strukturen optimieren kann, werde derzeit mit Personalräten, Gewerkschaftern, Arbeitgebern und weiteren wichtigen Akteuren diskutiert, teilte kürzlich NRW-Justizminister Benjamin Limbach[1] (Grüne) mit. Konkret geht es um die Auflösung mehrerer Standorte bis 2027. »Diesen Beteiligungsprozess führen wir im Augenblick gemeinsam mit den Präsidenten der Landesarbeitsgerichte und allen relevanten Interessenvertretungen durch«, erklärte das Justizministerium auf nd-Anfrage.

Bis Ende 2025 soll es eine Festlegung geben, welche Standorte geschlossen werden. Ein Eckpunktepapier des Justizministeriums zur Umstrukturierung der Arbeitsgerichtsbarkeit wurde bereits im Juni vom Kabinett in Düsseldorf gebilligt. Am Ende wird der Landtag über die konkreten Pläne entscheiden.

Nach Informationen der Funke-Mediengruppe sollen allein im Landesarbeitsgerichtsbezirk Hamm elf Standorte wegfallen. In den beiden anderen Bezirken, Düsseldorf und Köln, sind demnach fünf weitere bedroht. Betroffen wäre wieder einmal vor allem das strukturschwache Ruhrgebiet: Die Standorte Gelsenkirchen, Herne und Iserlohn sollen aufgelöst, die Standorte Essen und Oberhausen zusammengelegt werden. Darüber hinaus steht das Landesarbeitsgericht Köln als Berufungsinstanz zur Debatte. Das Justizministerium hat diese konkreten Schließungspläne gegenüber »nd« noch nicht bestätigt.

Derzeit gibt es im bevölkerungsreichsten Bundesland 30 Arbeitsgerichte. Einige von ihnen haben kaum ein Dutzend Beschäftigte. An 18 Standorten sind nur vier oder weniger Richter tätig, was organisatorische Schwierigkeiten bei Krankheit, Urlaub und anderem mit sich bringt. Die Fallzahlen sind in NRW zudem seit 2014 rückläufig. Damit sei auch ein Rückgang an Personal verbunden, heißt es in einem Schreiben des Justizministers, das »nd« vorliegt. Und weiter: »Im Jahr 2014 waren bei den Arbeitsgerichten noch 788 Bedienstete tätig, heute sind es 707 und damit gut zehn Prozent weniger.« Daher wolle man nun die Strukturen optimieren.

Unter Juristen werden die Pläne kontrovers diskutiert. Die Mitarbeitenden am Standort Gelsenkirchen reagierten laut Funke-Mediengruppe geschockt und mit Unverständnis. Sie befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Entgegen dem Landestrend soll die Zahl der Verfahren in Gelsenkirchen wachsen. Deshalb hofft man dort, die Schließung noch abzuwenden.

Die Anwaltskammern in Nordrhein-Westfalen beklagen zudem, dass Bürgern durch Schließungen der Zugang zum Recht erschwert werde. Sie fordern, Gerichte nicht unter Wirtschaftlichkeitserwägungen zu betrachten. Richter und Justizbedienstete zeigten indes gegenüber »nd« auch Verständnis für das Ziel, mit Schließungen größere und funktionsfähige Gerichte zu schaffen. Das sei legitim, wenn die Fallzahlen rückläufig seien. Weil Richter nach Arbeitspensum eingestellt werden, könnten bei weniger Bedarf auch Reformen notwendig werden. Bei Schließungen müssten aber an den verbliebenen Standorten mehr Kapazitäten geschaffen werden.

Andere Fachleute glauben, dass die Reform der Auftakt für Umwälzungen beim Gebäudemanagement sein könnte. Die meisten Richter an den Sozialgerichten arbeiten bereits fast ausschließlich von zu Hause aus und kommen nur zu Verhandlungen und anderen Präsenzterminen ins Gerichtsgebäude. Das könnte künftig auch zu Bürosharing und Nutzung von weniger Räumen führen. Bei den Arbeitsgerichten könnte der Trend ebenfalls Einzug halten, wenn die Reform kommt. Auch das Justizministerium erklärt in seinem Eckpunktepapier, die Arbeit verändere sich massiv, werde digitaler und ortsunabhängiger. Dem wolle man Rechnung tragen.

Die Reform sieht unter anderem auch vor, dass es mindestens zwölf »auswärtige Gerichtstage« geben solle. Dann müssten sich Richterinnen und Richter mit Klageschriften mit den jeweiligen Ortsbezügen auf Reisen zu anderen Gerichten im ganzen Land machen. Der Landesrechnungshof hatte indes bereits vor sieben Jahren die hohen Kosten für Liegenschaften und ineffiziente Mehrfachstrukturen kritisiert. Demnach würde die Hälfte der aktuell 30 Arbeitsgerichte in NRW ausreichen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178891.nrw-justizminister-thome-die-justiz-braucht-mehr-demokratische-legitimation.html