nd-aktuell.de / 15.10.2025 / Sport

Udine: Heftige Proteste beim Spiel Italien vs. Israel

Das Duell in der WM-Qualifikation in Udine wurde begleitet von einer großen Demonstration gegen den Krieg in Gaza

Tom Mustroph, Udine
Proteste in Udine während des Fußballspiels zwischen Italien und Israel
Proteste in Udine während des Fußballspiels zwischen Italien und Israel

Udine erlebte ein denkwürdiges Qualifikationsspiel für die Fußball-WM. Im nur zu einem Drittel gefüllten Stadion von Udinese Calcio feierte die italienische Nationalelf am Dienstagabend einen 3:0-Erfolg gegen Israel[1], der vierte Sieg im vierten Spiel mit dem neuen Trainer Gennaro Gattuso.

Wenige Kilometer entfernt, im Stadtzentrum von Udine, wurde gegen dieses Fußballspiel protestiert[2]. Von den Auseinandersetzungen zwischen den mit Schild, Helmen und Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten und den in der Mehrzahl vermummten Demonstranten berichtete der Fernsehsender RAI sogar live. Es waren Szenen wie in einem Bürgerkrieg: die unaufhaltsam voranschreitende Ordnungsmacht gegen rebellierende Zivilisten im Widerschein von Blaulicht und explodierenden Feuerwerkskörpern. Die Polizei setzte massiv Wasserwerfer ein, die Demonstranten warfen Steine und verbarrikadierten sich hinter brennenden Mülltonnen, Absperrgittern und Kanalisationsdeckeln.

Gegen Israels Kriegsführung und gegen die Fifa

Diese Szenerie stellte das traurige Finale eines zuvor friedlichen Protestzuges dar. Etwa die doppelte Zahl der Menschen, die im Stadion das Spiel sahen – 15 000 nach Angaben der Demo-Organisatoren –, hatte sich drei Stunden vor dem Match zu einem Marsch gegen den Gaza-Krieg[3] und die Austragung der Partie gegen Israels Nationalteam versammelt. Angeführt wurde der Zug von einer Statue der Justitia, der Göttin der Gerechtigkeit, die eine Rote Karte in der Hand hielt. Diese wurde wegen der Kriegsführung in Gaza Israel gezeigt, galt aber wahlweise auch dem italienischen Fußballverband und dem Weltverband Fifa, weil das Match zugelassen und Israel nicht, wie gefordert, wegen des inzwischen auch vom UN-Menschenrechtsrat festgestellten Völkermordes von allen sportlichen Aktivitäten ausgeschlossen worden war.

Mehr als 300 Initiativen und Organisationen hatten zu dem Protest aufgerufen, darunter auch zahlreiche Sportverbände. Nach Udine gereiste Vertreter des römischen Breitensportvereins Atletico San Lorenzo wiesen darauf hin, dass laut dem palästinensischen Fußballverband schon mehr als 355 Fußballer in Gaza getötet und zahlreiche Sportstätten zerstört wurden, darunter auch von der Fifa finanzierte.

Die Waffenstillstandsverhandlungen[4] in Scharm El-Scheikh und der Austausch von Gefangenen und Geiseln konnten die Proteste nicht stoppen. »Es ist sogar noch wichtiger geworden, jetzt, nach Beschluss der Waffenruhe, hier zu sein. Denn es ist zu befürchten, dass die Aufmerksamkeit nachlässt. Aber auch ohne Bomben geht die Apartheid weiter«, sagte ein aus Bergamo angereister Demonstrant der kommunistischen Tageszeitung »Il Manifesto«.

Eskalation kurz vor dem Anpfiff

Mitten im Demonstrationszug war ein Transparent »Free Marwan Barghouti« zu sehen. Der einstige Mitorganisator der 2. Intifada, der von seinen Anhängern gern als der »Nelson Mandela Palästinas« bezeichnet wird, gilt als eine der wenigen Persönlichkeiten mit großer Popularität sowohl in Gaza als auch im Westjordanland. Er könnte ein Manager eines friedlichen Übergangs sein. Sein Name allerdings stand nicht auf der Liste der auszutauschenden Gefangenen – einer der Fehler des Abkommens.

Der Protestzug verlief trotz der Drohkulisse am Himmel kreisender Hubschrauber und Drohnen, der Wasserwerfer auf der Straße und der auf einigen Dächern postierten Scharfschützen lange friedlich. Als gegen 20 Uhr, eine Dreiviertelstunde vor dem Anpfiff des Spieles, einige Personen die Demonstrationsroute verlassen und Richtung Stadion durchbrechen wollten, eskalierte die Situation. Immer wieder huschten dabei Kameraleute verschiedenster Sender durchs Bild: Die Krawalle wurden ähnlich detailliert aufgezeichnet wie die Szenen des parallel laufenden Fußballspiels.

Plan der Veranstalter geht nicht auf

Im Stadion fielen mehr israelische Banner auf, propalästinensisches Material wurde bei der Einlasskontrolle größtenteils aussortiert. Das Pfeifen gegen die israelische Hymne und bei Ballbesitz der Israelis blieb im auch sonst aus Stadien gewohnten, unschönen Ausmaß. Italien[5] hat in Gruppe I nach dem Sieg zumindest die Playoffs rechnerisch sicher; Israel wird es als derzeitiger Dritter nicht zur WM schaffen.

Fazit der Randale sind drei verletzte Personen, zwei Journalisten und ein Polizist. Mindestens 15 Menschen wurden außerhalb des Stadions festgenommen, zwei im Stadion. Sie hatten vergeblich versucht, das Spielfeld zu stürmen. Für die Zukunft von Sportveranstaltungen in Kriegszeiten lässt sich konstatieren: Die Rechnung der Veranstalter ging nicht auf. Die norditalienische Stadt Udine wurde als Spielort ausgewählt, weil sie abgelegen und für Massenproteste schwerer zu erreichen ist. Das Stadion ist im Besitz des Vereins, daher hatte die Stadtverwaltung, die um eine Verlegung des Spiels gebeten hatte, keinen Einfluss. Will der Spitzensport nicht weiter an Zuspruch verlieren, muss er sich zu einer Haltung durchringen, die auch dem Grauen in Gaza Rechnung trägt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194615.nahost-konflikt-bundeswehr-und-bka-bauen-zusammenarbeit-mit-israel-aus.html?sstr=israel
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193816.krieg-im-nahen-osten-israelischer-sport-die-boykottrufe-werden-lauter.html?sstr=udine
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194476.generalstreik-italien-steht-auf-fuer-die-menschen-in-gaza.html?sstr=Demo
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194746.gaza-krieg-gipfel-des-guten-willens-in-aegypten.html?sstr=gaza israel
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189999.nations-league-was-das-dfb-team-aus-den-spielen-gegen-italien-lernen-will.html