nd-aktuell.de / 19.10.2025 / Sport

Dortmund hilft Bayern aufs nächste Level

Im Spitzenspiel gegen den BVB müssen die Münchner auch ihren Kampfgeist beweisen

Daniel Theweleit, München
Luis Díaz (r.) und die Bayern erkämpften sich gegen den BVB einen vorentscheidenden Sieg im Meisterschaftsrennen.
Luis Díaz (r.) und die Bayern erkämpften sich gegen den BVB einen vorentscheidenden Sieg im Meisterschaftsrennen.

Joshua Kimmich kennt sich ganz gut aus mit den Mechaniken des Erfolges im Fußball, hat große Titel als Spieler des FC Bayern gewonnen und auch schon schwere Niederlagen erlitten. Er hat verstanden, dass es keineswegs immer nur um den nächsten möglichst souveränen Sieg geht. Und so war er am Samstagabend geradezu froh über eine Art Leistungseinbruch seines Teams, der beinahe noch zu den ersten Punktverlusten der laufenden Saison geführt hätte. »Man hat gemerkt: Wenn es Widerstände gibt, dann hauen wir uns da rein und halten dagegen«, sagte der Nationalmannschaftskapitän[1], als es nach dem 2:1-Sieg gegen den BVB um den Ertrag der Partie ging.

In der zweiten Halbzeit war Dortmund überlegen, was Kimmich als kostbaren Lernimpuls verbuchte. Solche Erlebnisse sind nämlich selten geworden für die Alleinherrscher aus München. Sportler brauchen starke Gegner, um sich zu entwickeln, um resilient zu werden. Dass die Bundesliga ein Problem mit der totalen Überlegenheit des FC Bayern[2] hat, ist kein neuer Gedanke, dass auch die Münchner zunehmend unter ihrer Dominanz leiden, ist ein weniger beachtetes Phänomen. Denn angesichts der vielen schwachen Gegner im bisherigen Saisonverlauf ist weiterhin recht unklar, wie stark diese Münchner wirklich sind.

Die DFL bangt um ihr Premium-Event

Die erste Halbzeit sei »fast perfekt« gewesen, sagte Bayerns Trainer Vincent Kompany, »sehr dominant«, was nicht zuletzt an den 45 Minuten lang erschreckend schwachen Dortmundern lag. »Wir waren sehr unsauber mit Ball, wir haben keinen Zweikampf geführt«, sagte Nico Schlotterbeck über den ersten Durchgang. »Wir haben uns versteckt, und dann spielen die dich her.« Menschen, die auf ein spannendes Titelrennen[3] in der Bundesliga gehofft hatten, mussten schockiert sein, da der zweitbeste deutsche Klub der vergangenen acht Monate agierte wie ein Abstiegskandidat: extrem defensiv eingestellt, ängstlich, ohne Ambitionen auf eigene Offensivimpulse.

Aber die Bayern versäumten es, mehr aus ihrer Überlegenheit zu machen. Die Torschussbilanz lautete zur Pause 10:0, der BVB hatte nur 18 Prozent Ballbesitz. Vermutlich saßen die Chefs der Deutschen Fußball-Liga (DFL) vor ihrem vollkommen einseitigen Premium-Event[4] und fragten sich: Was können wir tun? Gewiss hat in der Halbzeit niemand bei den Trainern in der Kabine angerufen, um etwas mehr Spannung zu fordern. Aber die Teams verhielten sich nach dem Wiederanpfiff, als hätten sie genau so eine Anweisung bekommen.

Der beste Stürmer der Welt

Nach der Pause war der BVB plötzlich »das bessere Team«, befand auch Dortmunds Torhüter Gregor Kobel[5]. Während der BVB aber etliche gute Chancen ausließ, gelang Bayern durch Michael Olise in der 78. Minute doch noch das zweite Tor, sodass Julian Brandts Treffer sechs Minuten später nur noch für den Anschluss reichte. Als das Spiel auf der Kippe stand, zeigte sich der aktuell entscheidende Unterschied zwischen Bayern und Dortmund: Während der BVB mit einer Offensive spielt, die sich im Verlauf der neuneinhalb Monate unter Trainer Niko Kovač noch immer nicht vollends gefunden hat, haben die Bayern den derzeit womöglich besten Stürmer der Welt auf dem Rasen stehen.

Wenigstens mit dieser Geschichte können sich die Marketingleute der DFL trösten: Harry Kane erzielt nicht nur permanent Tore, wie das 1:0 gegen den BVB in der 22. Minute, er ist auch dabei, sein schon lange sichtbares Talent als Defensivarbeiter und Spielgestalter endgültig zu entfalten. »So tief habe ich wahrscheinlich noch nie gespielt«, sagte der 32-Jährige, nachdem er sich in Zweikämpfe am eigenen Strafraum geworfen und das 2:0 mit einem spektakulären Diagonalball aus der eigenen Hälfte eingeleitet hatte. »Es ging um viel – vor allem um das Momentum«, sagte Kane, der noch erfahrener ist als Kimmich und weiß, dass Phasen der totalen Dominanz im Fußball auch jäh zu Ende gehen können. Absurd fand Kane unterdessen die vom TV-Experten Lothar Matthäus[6] angestoßene Debatte über seinen Treffer zum 1:0.

»Ein Tor ist ein Tor«

Der Stürmer hatte nach einer Ecke seinen Gegenspieler Serhou Guirassy leicht mit beiden Händen geschubst. Er hat sich dadurch einen kleinen Vorteil verschafft und streng genommen handelt es sich tatsächlich um den von Matthäus monierten Regelverstoß. In der Praxis des Spiels werden diese kleinen Schubser bei Ecken aber nie geahndet. Dass auch die Dortmunder daraus eine Riesennummer machten und Sportdirektor Sebastian Kehl sich sogar zu einem erregten Auftritt in der Schiedsrichterkabine hinreißen ließ, war seltsam. Kane konnte kaum fassen, dass überhaupt eine Diskussion entflammte. »Wenn das ein Foul ist, dann weiß ich nicht, was ich sagen soll«, sagte der Engländer. »Ein Tor ist ein Tor – und dann geht’s weiter.« Mit jetzt sieben Punkten Vorsprung auf den Rivalen aus dem Revier.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194741.dfb-team-joshua-kimmich-ein-guter-kapitaen-gibt-sicherheit.html?sstr=joshua|kimmich
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194823.fussball-bayern-gegen-dortmund-war-martin-luther-ein-osterhase.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194490.fussball-den-bayern-zieht-niemand-die-lederhosen-aus.html?sstr=lederhosen
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193457.fussball-das-maschinchen-bundesliga-startet-stotternd-in-die-neue-saison.html?sstr=dfl
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194404.fussball-gregor-kobel-erhaelt-rueckhalt.html?sstr=kobel
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184954.fussball-eltern-nervige-eltern-gibtrs-nicht-nur-im-fussball-herr-matthaeus.html?sstr=lothar matthäus