nd-aktuell.de / 20.10.2025 / Politik

ICMPD: Abschotten, Abschieben, Anwerben

Das ICMPD hat seine Hände bei der Aufrüstung von Polizei- und Zollbehörden im Spiel

Sofian Philip Naceur, Wien
Aus Pakistan abgeschobene afghanische Flüchtlinge warten nach ihrer Ankunft am Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan in der Provinz Kandahar. Das ICMPD stattet Länder wie Pakistan mit Ausrüstung zur Personenkontrolle aus.
Aus Pakistan abgeschobene afghanische Flüchtlinge warten nach ihrer Ankunft am Grenzübergang zwischen Afghanistan und Pakistan in der Provinz Kandahar. Das ICMPD stattet Länder wie Pakistan mit Ausrüstung zur Personenkontrolle aus.

Kurz bevor Michael Spindelegger 2016 den Posten des ICMPD-Generaldirektors übernahm, erklärte er gegenüber der österreichischen Zeitung »Die Presse«, kaum jemand in der Öffentlichkeit kenne das Institut oder dessen Arbeit. Das wolle er ändern und ihm »mehr politisches Gewicht und Visibilität« verleihen. Zehn Jahre später kann er zweifelsohne behaupten, geliefert zu haben. Das Auftragsvolumen seines International Centre for Migration Policy Development hat sich seither fast versiebenfacht, während die Anzahl der Mitgliedstaaten zwischen 2015 und 2024 von 15 auf 21 anstiegen ist. Deutschland war erst 2021 beigetreten, Irland ist seit 2024 das jüngste Neumitglied. Doch was ist das ICMPD eigentlich, welche politischen Ziele verfolgt es und was für Dienstleistungen und Projekte bietet es seinen Auftraggebern konkret an?

Das ICMPD wurde 1993 von den Regierungen[1] Österreichs und der Schweiz als ein zunächst zeitlich befristetes Pilotprojekt mit Sitz in Wien gegründet, das politische Antworten auf die Ost-West-Migration nach dem Fall der Berliner Mauer entwickeln sollte. Nur wenige Jahre später erhielt es den Status einer internationalen Organisation, der es Staaten erleichterte, ihm formell beizutreten und es mit der Durchführung von Dienstleistungen oder Projekten zu beauftragen. Seit seiner Gründung hat es dabei fast konsequent an seinen übergeordneten Leitmotiven und seiner informellen Arbeitsweise festgehalten und gibt weiterhin vor, Migration »sicherer«, »geordneter« und damit besser kontrollierbar machen zu wollen.

Anders ausgedrückt, die Arbeit des ICMPD hat zwei übergeordnete Ziele: erstens das rigorose Verhindern der sogenannten »irregulären« Migration[2] und das damit einhergehende Untergraben des internationalen Flüchtlings- und Menschenrechts; zweitens das höchst selektive Filtern von Einwanderung[3] im Sinne demografischer und wirtschaftlicher Notwendigkeiten, jedoch immer zum Vorteil europäischer Volkswirtschaften.

Konkret ist die Arbeit des ICMPD in drei Bereiche aufgeteilt: informelle Regierungsdialoge, Recherche und Datenerhebung sowie operative Dienstleistungen. In diesem Sinne ist das ICMPD seit den 1990ern mit der Sekretariatsarbeit einer Vielzahl höchst intransparenter zwischenstaatlicher Foren beauftragt, in deren Rahmen informelle Politikabsprachen getroffen werden und ein Austausch zwischen Regierungen stattfindet. Der prominenteste davon ist der sogenannte Khartum-Prozess, an dem Dutzende Regierungen aus Europa sowie Nord- und Ostafrika teilnehmen.

Seit Spindeleggers Amtsübernahme ist das zentrale Arbeitsfeld der Organisation allerdings das operative Geschäft, vor allem in Nordafrika, Nahost, Zentralasien und auf dem indischen Subkontinent. Für das europäische Grenzregime vor allem relevant ist hier die Rolle von ICMPD als eine Art Mittelsmann zwischen Geldgebern sowie Behörden in Partnerstaaten[4] im Rahmen polizeilicher Ausrüstungs- und Ausbildungsprojekte.

In Tunesien und Marokko koordiniert das ICMPD ein von der EU mit 65 Millionen Euro finanziertes Projekt, das Polizei- und Zollbehörden in beiden Staaten mit polizeilicher Ausrüstung wie Überwachungssoftware sowie Trainingsmaßnahmen versorgt. Im Rahmen eines weiteren von Deutschland, Österreich und weiteren EU-Staaten finanzierten Programms sind in Tunesien zwei Polizeischulen errichtet worden, in denen Beamte des Zolls und der Nationalgarde, die für ihre Menschenrechtsverletzungen gegen Flüchtende und die tunesische Bevölkerung berüchtigt ist, ausgebildet werden sollen.

In Pakistan, dem Libanon, Ghana und zahlreichen weiteren Staaten wurden Flughäfen mit Ausrüstung für die Personen- und Dokumentenkontrolle versorgt und Grenzbeamte ausgebildet. Das ICMPD ist also heute ein immer wichtiger werdender Akteur bei der Aufrüstung von Polizei- und Zollbehörden in Europas ehemaligen Kolonien und damit indirekt damit betraut, neokoloniale Eliten an der Macht zu halten und Migration wirtschaftlich ausbeutbar zu machen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1173407.eu-migrationspolitik-disput-um-oesterreichisches-guantanamo.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194708.libysche-kuestenwache-schuesse-auf-gefluechtete-im-mittelmeer-n-offenbar-ein-toter.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193748.willkommenskultur-pro-asyl-erinnert-an-den-sommer-der-solidaritaet.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194728.libysche-kuestenwache-italien-und-frontex-bestaetigen-angriff-auf-gefluechtete-vor-malta.html