Der große Saal des Berliner Landgerichts in der Littenstraße war bis auf den letzten Platz gefüllt: Die Besucher*innen wollten Monika Smolarek unterstützen. Sie soll ihre Charlottenburger Wohnung, in der sie seit vielen Jahren mit ihrer 9-jährigen Tochter lebt, verlassen, weil ein 26-jähriger Wirtschaftsinformatiker die Wohnung gekauft hat und nach eigenen Angaben dort einziehen will. Doch Smolarek wehrt sich gegen die Eigenbedarfskündigung nicht nur juristisch. Sie ging an die Öffentlichkeit mit einer Petition, in der sie sich gegen Eigenbedarfskündigungen[1] ausspricht.
Dadurch wurde sie bei vielen Mieter*innen bekannt, die in einer ähnlichen Lage sind. Vor dem Amtsgericht hatte sie ihre Klage gegen die Eigenbedarfskündigung verloren[2], obwohl sich der Besitzer der Wohnung in Widersprüche verwickelt hatte. So räumte er erst auf Vorhalt der Rechtsanwältin Carola Handweg, die Smolarek vertritt, ein, dass er die Wohnung, in der er angeblich leben will, gar nicht selbst besichtigt hat.
In der zweiten Instanz in der Littenstraße ging es vor allem um die Härtegründe, die das Amtsgericht nach Ansicht von Handwerg ungenügend berücksichtigt hat. So ist Smolareks Tochter in ihrer Schule gut integriert und möchte sie nicht wechseln. Auch Smolarek ist mit dem Wohnumfeld verbunden, hat dort ihre Ärzte und Apotheken. In der jüngsten Zeit hat sie intensiv nach einer Wohnung in Charlottenburg gesucht, was sie mit einem dicken Ordner von Bewerbungen dokumentiert hat. »Ich habe mich sogar direkt an den Pressesprecher einer Wohnungsbaugesellschaft gewandt, die in Charlottenburg neue Wohnungen errichtet hat. Aber leider hatte auch das keinen Erfolg«, erklärte Smolarek.
Der Wohnungseigentümer ließ sich auch in der zweiten Instanz von seinem Vater juristisch vertreten, der Rechtsanwalt und auch in der Immobilienbranche tätig ist. Er warf der Mieterin vor, sich nicht in ganz Berlin um Wohnungen bemüht zu haben, sondern nur in einem Radius von fünf Kilometern um ihre bisherige Wohnung gesucht zu haben.
Zudem übte er heftige Kritik, weil über die vorherigen Verhandlungen in der Presse berichtet wurde. Er warf der Mieterin vor, sich mehr um Unterstützung anderer Mieter*innen als um eine neue Wohnung zu bemühen. Das Lamento gipfelte in der Aufforderung, dass die Prozessbesucher*innen doch Smolarek bei der Suche nach einer Wohnung unterstützen sollen. Das löste nicht nur bei den Besucher*innen Heiterkeit aus. Der Richter sagte: »Die meisten suchen doch selber Wohnungen.« In Richtung der Eigentümerseite gewandt sagte er: »Wir müssen hier auch über wirtschaftliche Interessen reden.«
Im Anschluss versuchte der Richter, eine Einigung zwischen den zerstrittenen Parteien zu erreichen. Er regte eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses an. Die Miete sollte dabei in Stufen steigen, um so den Anreiz zum schnellen Auszug zu erhöhen. »Dabei bleibt natürlich das Problem unberücksichtigt, dass es eine passende Ersatzwohnung für die Mieterin bisher nicht gegeben hat und die Lage am Berliner Wohnungsmarkt sich auch in naher Zukunft nicht ändern wird«, sagte eine Besucherin während ein Prozesspause. Danach zeichnet sich ab, dass eine gütliche Einigung nicht zustande kommen würde. Carola Handwerg stellte daher den Antrag, den Fall an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Bei einer erneuten Verhandlung würden dann auch die besonderen Härten für die Mieterin zur Sprache kommen. Bis Redaktionsschluss hat das Landgericht noch keinen Beschluss verkündet.
Die Initiative »Eigenbedarf kennt keine Kündigung«, in der sich Betroffene zusammengeschlossen haben[3], hatte zur solidarischen Prozessbegleitung aufgerufen. Einige waren kurz zuvor in einer anderen Verhandlung wegen einer anderen Eigenbedarfskündigung. »Das geht wie am Fließband. Manchmal sind an einem Tag gleich mehrere Eigenbedarfsverfahren in einem Gerichtsgebäude. Da hilft es nur, dass wir uns gegenseitig unterstützen«, sagt ein Aktivist zu »nd«, der seit Jahren solche Prozesse solidarisch begleitet. Am Schluss dankte Monika Smolarek allen Besucher*innen mit den Worten: »Ohne euch würde ich das nicht durchstehen.«