nd-aktuell.de / 22.10.2025 / Politik

Kolumbien: Historisches Urteil gegen Ex-Präsidenten aufgehoben

Ein Strafgericht in Bogotá hat Álvaro Uribe von den Vorwürfen der Bestechung und des Prozessbetrugs freigesprochen

Hanno Bruchmann, Bogotá
Kolumbiens Ex-Präsident Álvaro Uribe wurde in der zweiten Instanz freigesprochen.
Kolumbiens Ex-Präsident Álvaro Uribe wurde in der zweiten Instanz freigesprochen.

Kolumbiens Rechte frohlockt: Das historische Urteil gegen den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe[1] wurde in zweiter Instanz kassiert. Am 1. August war Uribe als erster kolumbianischer Ex-Präsident strafrechtlich verurteilt worden. Richterin Sandra Heredia hatte ihn zu zwölf Jahren Hausarrest verurteilt und angeordnet, dass er die Strafe sofort antreten müsse. Der Hausarrest war kurz, denn nur 20 Tage später hob das Oberste Gericht von Bogotá diese Entscheidung auf. Am Dienstag folgte nun sogar der Freispruch. Die drei Richter*innen kamen bei der Revision, sprich: der formalen Überprüfung des Urteils, zu dem Schluss, dass die wichtigsten Beweise der ersten Instanz nicht tragfähig seien, da Unstimmigkeiten in den Zeugenaussagen und Fehler bei der Bewertung der Beweise festgestellt wurden.

Die Staatsanwaltschaft kündigte an, dass sie vor dem höchsten Gericht, dem Obersten Gerichtshof, Revision gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts einlegen will. Wird dem vom Obersten Gerichtshof stattgegeben, wird der Fall von 2012 nochmals aufgerollt und an das Strafgericht zurückverwiesen. Rechtsgültig ist der Freispruch damit noch nicht.

Zu den Fehlern zählen aus Sicht der Richter*innen abgehörte Telefonate, die nicht verwendet hätten werden dürfen, da das Abhören von Anwaltsgesprächen gegen die Persönlichkeitsrechte von Uribe verstoßen habe. Dabei sprach Uribe mit seinem Anwalt Diego Cadena über die Beeinflussung der Zeugen und das Vorgehen des Anwalts, der die Zeugen in den Gefängnissen besuchte und bestochen hat. Cadena wurde dafür bereits verurteilt. Gegen die Ex-Paramilitärs, die gegen Uribe ausgesagt hatten, wird nun wegen Falschaussage ermittelt. Uribe bleibt frei. Die Entscheidung hebt die ursprüngliche Verurteilung und die Aberkennung der Berechtigung zur Ausübung öffentlicher Ämter auf.

Der von 2002 bis 2010 regierende Álvaro Uribe war schuldig gesprochen worden, Zeugen mit Versprechungen und Bestechungen zu Falschaussagen bewegt und die Justiz irregeführt zu haben. Die erstinstanzliche Richterin Heredia befand die Bestechung in Strafverfahren und den Verfahrensbetrug als erwiesen. Neben den zwölf Jahren Hausarrest verhängte sie ein Verbot für acht Jahre, öffentliche Ämter zu bekleiden, was eine Kandidatur bei Wahlen verhindert hätte. Zudem wurde eine Strafzahlung von umgerechnet rund 730 000 Euro angeordnet.

Anhänger Uribes gingen am 7. August, einem der Nationalfeiertage, auf die Straße, um die Aufhebung des Hausarrests zu fordern und die Unschuld Uribes zu beteuern. Auch die internationale Rechte hatte sich an die Seite Uribes gestellt. US-Außenminister Marco Rubio verlautbarte, das einzige Verbrechen Uribes sei es gewesen, unermüdlich für die Verteidigung seines Landes zu kämpfen. Der Ex-Präsident sei der »Justiz als Waffe« und »radikalen Richtern« zum Opfer gefallen. Rubio begrüßte den Freispruch und sprach auf der Plattform X von einer »Hexenjagd« gegen Uribe und dessen Familie.

Für Korruption und Verstrickungen mit den rechten Paramilitärs inklusive politischer Morde konnte Uribe bisher immer erreichen, aus den Ermittlungen herausgehalten zu werden, und opferte dafür politisch und juristisch zahlreiche Weggefährt*innen. Um die eigentlichen größeren Verbrechen, deren der rechte Ex-Präsident Uribe beschuldigt wird, ging es in dem aktuellen Verfahren noch nicht: Gründung von paramilitärischen Verbänden und die Verantwortung für Massaker an der Bevölkerung, Verfolgung politischer Gegner und Beeinflussung von Wahlen durch Gewalt und Einschüchterungen. Die lang anhaltenden Verbindungen Uribes zum Paramilitarismus und zum Drogenhandel sind gut dokumentiert.

In diesem Monat wurde eine neue Untersuchung gegen Álvaro Uribe und seinen Bruder Santiago aufgenommen. Ein Gericht in Medellín lässt gegen die Brüder Uribe als mutmaßliche Drahtzieher des Mordes an Eduardo Umaña und Jesús María Valle im Jahr 1998 ermitteln. Die beiden Menschenrechtsaktivisten hatten Uribe mit dem »La-Granja-Massaker« 1996 öffentlich in Verbindung gebracht, bei dem Zivilist*innen von Paramilitärs aus Uribes Umfeld ermordet wurden. Uribe hätte die beiden verschwinden lassen wollen, sagte jetzt ein Zeuge in einem anderen Fall aus. Diese neue Beweislage führte zur Eröffnung der Untersuchung.

Uribe bleibt politisch eine zentrale Figur der Rechten in Kolumbien und der Region. Die Bande zwischen rechten Politikern, Unternehmern und Teilen des Staatsapparates scheinen zu halten und ihn vor einer Verurteilung in letzter Instanz zu schützen. Noch ist das letzte Wort aber nicht gesprochen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1141148.kolumbien-die-justiz-zwischen-den-fronten.html