nd-aktuell.de / 23.10.2025 / Kommentare

Cesy Leonard: Die Frau hinter der Petition an Friedrich Merz

Am Donnerstag knackte die Petition »Wir sind die Töchter und das ist unsere Antwort, Friedrich Merz!« die 200 000 Unterschriften Marke

Anton Benz
»Stadtbild«-Debatte – Cesy Leonard: Die Frau hinter der Petition an Friedrich Merz

Wenn der Kanzler höchstpersönlich um meine Einschätzung bittet, werde ich sie ihm nicht verwehren. Das wird sich Cesy Leonard wohl gedacht haben, als Merz auf eine Nachfrage zu seinem »Stadtbild«-Mumpitz[1] reagierte mit: »Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.«[2]

Damit der vielbeschäftigte Mann ihre Antwort auch liest, setzte Leonard eine Petition[3] auf. Eine ziemlich erfolgreiche. Über 200 000 Unterschriften in wenigen Tagen. Und es werden immer mehr.

»Herr Merz, wenn Sie sich wirklich um die Sicherheit von uns Töchtern sorgen«, heißt es darin, »erklären Sie Schutz vor häuslicher Gewalt zur Chefsache und erkennen Sie Femizide endlich als eigene Straftat an«. Schließlich seien die Täter in den meisten Fällen nicht »irgendwelche Menschen im ›Stadtbild‹, sondern »Ehemänner, Väter oder (Ex)Partner«.

Nun ist Leonard nicht nur selbst Tochter (Überraschung!), 2019 gründete sie auch die Initiative »Radikale Töchter«, die jungen Menschen mit Workshops Mut machen will, sich gesellschaftlich zu engagieren. Der genaue Ort dieser Workshops muss dabei bisweilen geheim gehalten werden, denn es kommt vor, dass Leonard von Rechten Morddrohungen erhält, die sich übrigens auch gegen ihre Kinder richten.

Aber das nur nebenbei, schließlich hat der Kanzler erkannt, was die wahren Probleme unserer Zeit sind. Nicht Faschisierung, nicht Klimakrise, nein: Stadtbild.

Für dessen Aufwertung sich Leonard übrigens seit ihrer Jugend fleißig einsetzt. Zwar konnte der Nachhilfelehrer ihr die lateinische Grammatik nicht näherbringen und einen Schulabgang nicht verhindern – dafür weckte er eine Leidenschaft für Hip-Hop und Graffiti. »Cesy«, das ist nicht Leonards richtiger Vorname, diese Buchstabenkombination sprühte sie in ihrer Heimatstadt Stuttgart besonders gern an triste Wände. Heute ist die radikale Tochter froh darüber, dass ihr echter Name nicht überall bekannt ist.

Leonards wohl bekanntester Eingriff ist eher eine Veränderung des Dorfbilds: Bornhagen, Thüringen, das Holocaust-Mahnmal vor Björn Höckes Haus – Sie kennen es. Als langjährige Kreativdirektorin der Aktionskunstgruppe Zentrum für Politische Schönheit (ZPS)[4] war Leonard maßgeblich an dieser Aufwertung des ländlichen Raums beteiligt.

Vor den acht Jahren beim ZPS lebte die politische Künstlerin einige Zeit von Hartz 4, aus einer angestrebten Karriere als Schauspielerin wurde nichts. »Ich konnte dort nicht meine eigenen Geschichten erzählen«, sagte sie in einem Deutschlandfunk-Interview.

Genau das macht Leonard heute. Die Geschichten handeln davon, wie es war, als Tochter eines australischen Vaters und einer deutschen Mutter aufzuwachsen, warum Scheitern in Schule und Beruf kein Grund zum Aufgeben ist und wie sie als Mutter zur Feministin wurde.

Wenige Tage bevor sie von Friedrich Merz um Stellungnahme gebeten wurde, erschien ihr erstes Buch: »Machen macht Mut«. Damit tourt sie aktuell durch Deutschland und die Schweiz.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194906.friedrich-merz-dog-whistle-rassismus-gegen-rechts.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194873.rassismus-und-migration-merz-legt-bei-rassistischer-stadtbild-aussage-nach.html
  3. https://innn.it/toechter
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189141.repression-bus-des-zentrums-fuer-politische-schoenheit-freigegeben.html