Verhandlungen mit Beigeschmack

Frankreichs Eisenbahner wollen vor Beendigung des Streiks Zusagen zum Erhalt von Rentenleistungen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Die französischen Eisenbahner haben am Freitag ihren landesweiten Streik fortgesetzt und damit den dritten Tag in Folge die Arbeit ruhen lassen. Präsident Nicolas Sarkozy ließ erklären, er sei »nicht pessimistisch«, was ein baldiges Ende des Ausstandes angehe.

Obwohl sich die Regierung bereits mit den Vorsitzenden der großen Gewerkschaftsverbände über Verhandlungen verständigt hat und diese ihrer Basis ein »Aussetzen« des Streiks schmackhaft machen wollen, bleiben viele Eisenbahner skeptisch. Sie wollen vorläufig weiter streiken, um konkretere Zusagen zu erzwingen.

Bereits am Vorabend des Nationalen Aktionstags am Mittwoch, mit dem die Sonderrentenregelungen der Eisenbahner und anderer Beschäftigter staatseigener Unternehmen verteidigt werden sollten, hat der Vorsitzende der Gewerkschaft CGT, Bernard Thibault, Arbeitsminister Xavier Bertrand einen Verhandlungsvorschlag unterbreitet. Demnach sollten beim Bahnunternehmen SNCF ebenso wie bei den Pariser Verkehrsbetrieben RATP, den Strom- und Gaskonzernen EDF und GDE oder anderen betroffenen Staatsunternehmen Gespräche zwischen Direktion und Gewerkschaften in Anwesenheit eines Vertreters der Regierung begonnen werden. Der Minister eilte ins Elysée, um Rücksprache mit Präsident Sarkozy zu nehmen, und erklärte dann öffentlich sein Einverständnis. Die Regierung setzte den Verhandlungsparteien eine Frist von 30 Tagen, um sich über die Modalitäten der Reform in ihrem Unternehmen zu verständigen. Scheitern diese Gespräche, will die Regierung die Maßnahmen per Dekret durchsetzen.

Nicolas Sarkozy hat in den vergangenen Tagen mehrfach deutlich gemacht, dass er auf Grundprinzipien der Reform, wie die Angleichung der Beitragsdauer und des Rentenalters, beharren wird, allerdings hinsichtlich der Modalitäten und des Zeitplans konzessionsbereit sei. Auch ließe sich über Lohnerhöhungen oder Zuschläge für besonders schwere Arbeitsbedingungen reden. In dieser im Kern jedoch unnachgiebigen Position wurde Sarkozy durch Umfragen bestärkt, denen zufolge die Mehrheit der Franzosen kein Verständnis für die Sonderrenten bestimmter Berufskategorien hat und der Streik vor allem der Verkehrsbetriebe äußerst unpopulär ist. Allerdings wurde von konservativen Politikern und Medien in den vergangenen Wochen auch reichlich Stimmung gegen die Sonderversorgungssysteme gemacht.

All dies und auch die im Vergleich zum letzten Aktionstag am 18. Oktober geringere Streikbeteiligung hat die Führungen der großen Gewerkschaften CGT, CFDT und FO, aber auch kleinere wie CFE-CGC und CFTC bewogen, auf Verhandlungen zu setzen und den Streik möglichst bald zu beenden. Eine wichtige Überlegung für Bernard Thibault und seine Kollegen ist auch, dass sie einen Bruch zwischen den »privilegierten« Mitarbeitern der Staatsbetriebe und den Beschäftigten in der Privatwirtschaft fürchten, was die Einheit bei künftigen Kampfaktionen in Frage stellen würde. Für Thibault geht es außerdem darum, die CGT endlich vom Image zu befreien, eine Gewerkschaft uneinsichtiger »Nein-Sager« zu sein, die immer unrealistische Maximalforderungen stellen.

Diese pragmatische Haltung kommt allerdings an der Basis schlecht an. Dort hofft man, große Teile der Sonderrenten erhalten zu können. Insbesondere viele Eisenbahner und Beschäftigte der RATP wollen erst konkrete Zusagen, bevor sie den Streik beenden. Darum haben sie mehrheitlich für die Fortsetzung des Ausstands gestimmt, der höchstwahrscheinlich über das Wochenende andauern wird. Andererseits bröckelt die Streikfront bereits. Von einer Normalisierung des Verkehrs ist man allerdings noch weit entfernt.

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