nd-aktuell.de / 26.10.2025 / Politik

Protest bei Leipziger Opernball gegen Rammstein-Sänger

Etwa 800 Menschen demonstrierten gegen die Einladung Till Lindemanns

Yaro Allisat
Aktivist*innen protestieren gegen die Teilnahme des Sängers beim Leipziger Opernball.
Aktivist*innen protestieren gegen die Teilnahme des Sängers beim Leipziger Opernball.

»Schämt euch!«, hallte es vergangenen Samstag über den Leipziger Augustusplatz, der für den Opernball großräumig abgesperrt wurde. Zutritt erhält nur, wer zwischen 250 und 890 Euro für ein Ticket bezahlt oder auf der exklusiven Gästeliste steht. Unter den geladenen Gästen ist auch Till Lindemann – Sänger der Band Rammstein und Freund des Unternehmers Torsten Fenger, dessen Unternehmensgruppe seit Jahren zu den Sponsoren des Opernballs gehört. Fengers Tochter ist zudem Mitgeschäftsführerin der Opernball Produktions GmbH.

Der Protest »Keine Bühne für Täter!« richtet sich gegen Lindemann, der erst spät am Abend gemeinsam mit dem Stargeiger David Garrett erscheint. Mehrere Frauen erhoben massive Vorwürfe gegen den Sänger; so seien die Frauen unter Drogeneinfluss zu sexualisierter Gewalt gedrängt worden. Staatsanwaltschaften haben jedoch nie Anklage erhoben, da keine der Frauen zu einer Aussage bereit war und sich die Vorwürfe somit nicht ausreichend erhärtet haben.

Für die Demonstrierenden ist der öffentliche Umgang mit den Vorwürfen dennoch ein Skandal. Zur Kundgebung hat die antifaschistische Gruppe Leipzig nimmt Platz gemeinsam mit Pro Choice Leipzig, dem Feministischen Streik Leipzig und weiteren Initiativen aufgerufen. Rund 800 Menschen protestieren lautstark gegen Lindemanns Einladung. Zahlreiche Initiativen und Einzelpersonen unterzeichneten zudem einen offenen Brief an Veranstalter und Sponsoren des Opernballs, in dem sie die Ausladung Lindemanns fordern. »Es geht uns nicht um die mediale Figur einer einzelnen Person«, heißt es darin, »sondern um die gesellschaftliche Verantwortung, die Sie als Veranstaltende und Fördernde eines von öffentlicher Hand geprägten Kulturevents tragen.« Dass einer Person, gegen die schwere Vorwürfe sexuellen Machtmissbrauchs im Raum stehen, eine Bühne gegeben werde, sei ein »fatales Signal«.

Auf Anfrage von »nd« äußerten sich die Veranstalter nicht. Die Oper Leipzig erklärte auf der Plattform X, der Ball werde von externen Akteur*innen organisiert, man habe keinen Einfluss auf die Gästeliste. Gegenüber »Tag24« verwiesen die Veranstalter auf die Unschuldsvermutung. Die sächsische Kultusministerin Petra Köpping (SPD) sagte ihre Teilnahme nach Ankündigung der Proteste ab – sie wolle zur Deeskalation beitragen.

»Dieses Zurschaustellen von Reichtum und Sexismus dürfte es nicht geben«, sagt Alia M., eine der Demonstrationsteilnehmer*innen, gegenüber »nd«. Für sie sei klar, dass Lindemann sexualisierte Gewalt ausgeübt habe. Männer mit Geld und Einfluss würden immer geschützt, so Alia. »Dass so einer sein Leben in Prunk und Protz weiterführen kann, während Betroffene an den Taten und der hetzerischen Berichterstattung zerbrechen, finde ich unglaublich.« Die Kundgebung selbst war strömungsübergreifend: Menschen mit Kufiyas, Punks, linksliberale Gruppen. »Dass Lindemann für diesen Auftritt nicht einmal bezahlen muss, während für mich ein Ticket eine Monatsmiete wäre, macht es noch absurder«, findet eine weitere Teilnehmerin.

Drinnen im Opernhaus scheint die Kritik kaum anzukommen. Auf Fotos posieren lächelnde Gäste auf dem roten Teppich und feiern unter dem Motto »La Dolce Vita«. Auch der sächsische Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) feiert mit und erklärte gegenüber der »Bild« bezüglich des Protests, alle dürften ihre Meinung äußern. Gegen späten Abend ebbt die Demonstration langsam ab. Den Protestierenden bleibt ein Gefühl von Wut – aber auch von Zusammenhalt.