nd-aktuell.de / 26.10.2025 / Kommentare

Dobrindts Doppelstunde »Preppen«

Patrick Lempges über die neue Verantwortung der Jugend

Patrick Lempges
Der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt sich für Krisenvorsorge als Schulstunde ein.
Der Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) setzt sich für Krisenvorsorge als Schulstunde ein.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt[1] (CSU) will eine Doppelstunde Krisenvorsorge pro Schuljahr, um älteren Schüler*innen beizubringen, wie man sich auf verschiedene Bedrohungsszenarien[2] vorbereiten kann. Es ist klar, dass dies keine Reaktion auf den Klimawandel oder die Vorsorge vor einer neuen Pandemie ist. Dieser Vorschlag ist eingebettet in den Kriegsdiskurs im Lande. Also los: Vorräte sammeln, Wasser aufbereiten und ein Kurbelradio bedienen können. Man kann froh sein, dass Dobrindt die Zocker unter den Kids nicht direkt als Drohnenpiloten anwerben will, schaut man sich das Tempo an, mit dem sich die Debatte zum Thema Krieg in unserer Gesellschaft verändert.

»Es kann nicht schaden«, meint Dobrindt und er hat sogar recht. Es ist prinzipiell gut zu lernen, wie man sich in Krisensituationen verhalten sollte. Nur muss sein Vorschlag in eben diesen Gesamtdiskurs eingebettet und als das betrachtet werden, was es ist: die mentale Vorbereitung der Jugend auf eine potenzielle Kriegssituation. Denn um die zu erlernenden Fähigkeiten geht es gar nicht primär. Eine Doppelstunde im Jahr macht niemanden zum Prepper – aber sie normalisiert Krieg als eine denkbare Option.

Besonders perfide ist die Formulierung, Kinder seien »Wissensträger in die Familien hinein«. Früher sollten Kinder die Rente ihrer Eltern sichern – jetzt sollen sie ihnen beibringen, wie man einen Bunker baut. Als ob es tatsächlich Aufgabe von Jugendlichen wäre, ihre Eltern über die Gefahren eines möglichen Krieges mit Russland aufzuklären. Das ist nicht glaubwürdig. Kinder sollen nicht Prepper werden – sie sollen Botschafter der Aufrüstung werden. Sie sollen die Krise als neue Normalität internalisieren und ihren künftigen eigenen Antritt zum Wehrdienst als eine normale Situation wahrnehmen. Eine Generation, die mit dem Gedanken aufwächst, dass Krieg normal ist, stellt später auch weniger Fragen, wenn das Geld für Soziales fehlt, aber für Panzer reicht. Es geht nicht darum, dass alle Kinder mit Feuerstein und Schweizer Taschenmesser herumlaufen sollen – es geht um das Mindset der Jugendlichen.

Dabei ist die Krisensituation, auf die Dobrindt vorbereiten will, nicht erfunden: Der Krieg in der Ukraine, Drohnenüberflüge, Angriffe russische Hacker auf die Infrastruktur und die Einmischung russischer Bot-Farmen in westliche Demokratien sind reelle Beispiele. Und deshalb sollte Dobrindts Vorschlag nicht abgelehnt, sondern ergänzt werden. Damit der Nutzen einer solchen Schulung bleibt, aber das Mindset der Kinder nicht einseitig auf Krieg gedrillt wird, muss der Unterricht um diplomatische Konfliktlösung ergänzt werden.

Für jedes »How to Weizen säen« eine Stunde »Modell United Nations« und politische Bildung, denn machen wir uns nichts vor: »Die Gefahr« für die liberale Demokratie liegt nicht allein »außen« in der Form Putins, sondern ebenso innen in Form der AfD und einer Gesellschaft, die stetig weiter nach rechts rückt[3], durch Demokratieverachtung, durch die Normalisierung von Gewalt und Ausgrenzung. Wir müssen aufpassen, dass bei all der Vorbereitung auf die Verteidigung bald nichts mehr Verteidigungswürdiges übrig bleibt. Dann gäbe es eine Gesellschaft von Rechten, die als Kinder zwar gelernt haben, Wasser zu filtern und Dosenravioli mit den Zähnen zu öffnen, aber eben keine Demokratie mehr.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193188.abschiebungen-abschiebungen-und-sicherheit-dobrindts-dreiste-luegen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194579.bundespolizei-drohnenfinger-am-abzug.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194906.friedrich-merz-dog-whistle-rassismus-gegen-rechts.html