Es musste schnell gehen: Um auf die hereinbrechende Corona-Pandemie zu reagieren, rief die EU-Kommission im Jahr 2021 die milliardenschwere Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF)[1] ins Leben. Aus einem Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofs geht hervor, dass Finanzhilfen zwar an Unternehmen flossen. Doch viele Reformen, die das wirtschaftliche Umfeld verbessern sollten, wurden bislang nicht umgesetzt, obwohl sie an die Zahlungen gebunden waren. Dazu zählen Vereinfachungen bei Unternehmensgründungen und bei der Digitalisierung der Verwaltung.
»Es kam zu erheblichen Verzögerungen«, sagte Ivana Maletić, beim Rechnungshof zuständig für die Prüfung, am Montag bei der Vorstellung des Berichts. Der EU-Rechnungshof ist eine unabhängige Prüfbehörde der EU. Für die stichprobenartige Untersuchung wurden vier Länder ausgewählt: Bulgarien, Spanien, Zypern und Österreich.
Von den 650 Milliarden Euro, die die ARF umfasste, sah die EU-Kommission europaweit etwa 109 Milliarden Euro für Reformen zur Verbesserung des Unternehmensumfelds vor. Erstmals wurden für den Corona-Fonds gemeinsame europäische Kredite[2] aufgenommen.
»Aus makroökonomischer Sicht ist das Instrument als Erfolg zu bewerten«, erklärt Sebastian Watzka, Referatsleiter für europäische Makroökonomie beim DGB-nahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, im Gespräch mit »nd«. »Auch weil ärmere Länder und Länder, die stärker von der Pandemie betroffen waren, mehr Gelder erhalten haben.« Dies habe die Konvergenz in der EU gefördert. »Und es ist gut, dass gemeinsame europäische Schulden aufgenommen werden konnten«, unterstreicht Watzka.
Doch mit Blick auf die politischen Reformvorgaben der Kommission sieht die Sache anders aus. Der EU-Rechnungshof stellt in seinem Bericht fest, dass nationale Regierungen zwei Drittel der Vorschläge aufgriffen, doch keine einzige sei vollständig umgesetzt worden. Fast die Hälfte (41 Prozent) der Empfehlungen wurde nur geringfügig berücksichtigt. Sieben Prozent der Forderungen wurden gar nicht erst angegangen.
Die Umsetzung vieler Vorhaben verzögert sich und droht sogar ganz ins Wasser zu fallen. Die meisten Reformen lagen hinter dem Zeitplan. Etwa ein Drittel (36 Prozent) schlossen die Länder mit mehr als sechs Monaten Verspätung ab. Mehr als ein Viertel (28 Prozent) war im April 2025 noch nicht fertig. Die Maßnahmen müssen bis Ende August 2026 abgeschlossen sein.
Die Verzögerungen hatten laut Prüfer*innen verschiedene Gründe, etwa technische Komplikationen, Verwaltungsprobleme und politische Uneinigkeit. In einigen Fällen hätten neue Regierungen ihr Amt angetreten und bereits getroffene Vereinbarungen wieder geändert. Doch vor allem fehlten klare Standards für die Mittelvergabe ebenso wie ein Sanktionsmechanismus, um Gelder zurückzuverlangen, wenn Ziele nicht erreicht werden. Eine Anfrage bei der EU-Kommission blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Prüferin Maletić betont mit Blick auf Verhandlungen über den nächsten EU-Finanzrahmen: »Die Mängel, die es im Corona-Fonds gibt, dürfen nicht in den nächsten EU-Haushalt eingebaut werden.« Und künftig müssten auch Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und andere Interessengruppen stärker an den Konsultationen beteiligt[3] werden.