Monatelang attackierte US-Präsident Donald Trump die Notenbank Fed [1]und deren Präsident Jerome Powell[2]: Sie sollten endlich die Leitzinsen senken. Tatsächlich waren diese mit 4,25 bis 4,5 Prozent im internationalen Vergleich hoch. So fällt der Hauptrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) mit 2,15 Prozent weit niedriger aus. Im September folgte Powell den Wünschen von Trump und senkte erstmals nach einem Dreivierteljahr die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Doch mit Spannung schauen Beobachter weltweit nicht nur auf den anstehenden Zinsentscheid der an diesem Mittwoch stattfindenden Sitzung des Fed-Gouverneursrates in Washington. Wird es Trump gelingen, die Notenbank sogar faktisch zu übernehmen?
Die US-Notenbank Federal Reserve, kurz Fed, verfügt im Unterschied zur EZB über ein duales Mandat für Preisstabilität und maximale Beschäftigung. Was die Fed zwingt, sich zwischen beiden Zielen, die durchaus in verschiedene Richtungen weisen können, zu entscheiden. Da der Arbeitsmarkt schwächelt, ließ sich die letzte Zinssenkung durchaus wirtschaftlich gut begründen.
Schon frühere Präsidenten haben versucht, die Fed gefügig zu machen. Zu nennen sind hier insbesondere Lyndon B. Johnson (Amtszeit 1963–1969) und Richard Nixon (1969–1974). Dies dürfte ein Grund für die sehr lockere Geldpolitik der Fed ab Ende der 60er gewesen sein, die in die »Große Inflation« mündete, mit Inflationsraten teilweise im zweistelligen Bereich.
Trump vertritt die Ansicht, dass der Staatspräsident alleine den Kurs bestimmt und er dafür das Spitzenpersonal von Bundesbehörden jederzeit austauschen kann. Seine Ambitionen versucht er auch in der Fed durchzusetzen und will deren Gouverneursrat in seinem Sinne verändern. So hat er im August eine vakante Stelle in der Fed-Spitze mit Stephen Miran besetzt, Harvard-Ökonom und Trump-Vertrauter.
Miran steht neben dem Wirtschaftsprofessor Peter Navarro für Trumps wirtschaftspolitische Doppel-Agenda: Zolleinnahmen will er nutzen, um die Steuersätze für Konzerne zu senken, damit die Konjunktur in Schwung kommt. Der zweite Teil des wirtschaftspolitischen »Playbooks« zielt auf den US-Dollar. Der Kurs der globalen Leitwährung ist seit einem Jahrzehnt im Vergleich zu einem internationalen handelsgewichteten Warenkorb deutlich gestiegen, und ein teurer Dollar verteuert US-Exporte. Dieser »unfaire Wettbewerb« erkläre das notorische Handelsdefizit der USA, argumentiert Berater Miran. Trump will daher den Dollar-»Preis« durch verschiedene Maßnahmen senken, etwa durch Druck auf die EU, den Eurokurs zu erhöhen.
Da Powell in den kommenden Monaten ohnehin auf Zinssenkungskurs fahren dürfte, würde sich der Effekt der personellen Änderungen wohl zunächst in Grenzen halten. Im kommenden Jahr stehen allerdings wichtige Entscheidungen an, die das Ende der Unabhängigkeit der Fed faktisch besiegeln könnten: Im Mai 2026 endet die Amtszeit Powells, Trump könnte dann einen weiteren Gouverneur nach seinem Gusto installieren. Die europäische Ratingagentur Scope hat gerade auch unter Verweis auf die »die zunehmende Machtansammlung der Exekutive« gegenüber unabhängigen Institutionen die Kreditwürdigkeit der USA leicht herabgestuft.
»Hängt eine Notenbank am Gängelband der Politik, wird sie häufig dazu benutzt, die Wirtschaft kurzfristig anzukurbeln mit dem Preis, dass die Inflationsrate längerfristig außer Kontrolle gerät«, schreibt die Commerzbank in ihrer Analyse unter Verweis auf die Erfahrungen in den 60er und 70er Jahren. Daher sollten Zentralbanken formal wie faktisch unabhängig entscheiden können.
Sollte Trump die Fed erfolgreich an die Leine legen, wäre dies eine geldpolitische Zeitenwende.
Eine Sicht der Geldpolitik, die auch von linken Ökonomen weitgehend geteilt wird. Sie verweisen gerne auf die »politische« Notenbank in der Türkei, deren Kurs weitgehend von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bestimmt wird, mit hohen Inflationsraten bis zu über 85 Prozent. Sollte Trump die Fed erfolgreich an die Leine legen, wäre dies eine geldpolitische Zeitenwende – mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft und auch für deutsche Verbraucher.
Bisher bleiben die Finanzmarktakteure weltweit allerdings gelassen. Hektisch dürfte es dagegen in den oberen Etagen der Fed zugehen, denn aktuell mangelt es an volkswirtschaftlichen Daten. Der »Shutdown« des Bundeshaushalts der USA hat zu einem wochenlangen Stillstand in der Verwaltung geführt, auch in den Statistikämtern. Die Fed sei »quasi im Blindflug« unterwegs, scherzt der Vermögensverwalter DWS. Die Beurlaubung Tausender Regierungsangestellter sowie die möglichen Auswirkungen des Staatsstillstands auf den privaten Sektor stützen aber die Annahme, dass die Risiken für die Beschäftigung nach wie vor größer sind als die Aufwärtsrisiken für die Inflation. Was an diesem Mittwoch für eine weitere Leitzinssenkung der Fed spricht.
Dagegen wäre es keine Überraschung, wenn die Europäische Zentralbank und ihre Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag ihre Leitzinsen unverändert lassen – trotz der politischen Turbulenzen in Frankreich, das in diesen Tagen von allen wichtigen Ratingagenturen herabgestuft wurde. Während mehrere Mitglieder des EZB-Rates »die Inflationsrisiken als nach unten tendierend ansahen«, würden »einige Mitglieder sie als nach oben gerichtet einstufen«, heißt es im Protokoll der letzten Sitzung. Die Euro-Währungshüter dürften daher einen unveränderten geldpolitischen Kurs anstreben. Lagarde hat es dabei aber auch einfacher als ihr US-Kollege Powell: Die EZB kann sich alleine auf die Preisstabilität konzentrieren.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195071.geldpolitik-und-inflation-fed-in-der-trump-falle.html