nd-aktuell.de / 30.10.2025 / Politik

US-Drogenkrieg: Außerlegale Tötungen auf hoher See

Die USA beugen in ihrem Drogenkrieg internationales Recht

Martin Ling
Screenshot aus einem Video, das US-Präsident Donald Trump am 15. September 2025 auf seinem Truth-Social-Account gepostet hat: Es zeigt ihm zufolge US-Streitkräfte, die einen Angriff auf ein Boot durchführen, das mutmaßliche Drogenhändler in der Karibik im Zuständigkeitsbereich des Southcom transportiert.
Screenshot aus einem Video, das US-Präsident Donald Trump am 15. September 2025 auf seinem Truth-Social-Account gepostet hat: Es zeigt ihm zufolge US-Streitkräfte, die einen Angriff auf ein Boot durchführen, das mutmaßliche Drogenhändler in der Karibik im Zuständigkeitsbereich des Southcom transportiert.

Die Ansage ist unmissverständlich: »An alle terroristischen Verbrecher, die giftige Drogen in die Vereinigten Staaten von Amerika schmuggeln: Seien Sie gewarnt, wir werden Sie auslöschen.« Diese Worte wählte US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede auf der Generalversammlung der Vereinten Nationen. »Jedes Boot, das wir versenken, transportiert Drogen, die mehr als 25 000 Amerikaner töten würden.« Diese Zahl ist wie vieles, was Trump sagt, nicht zu belegen. 2024 Jahr gab es in den USA etwa 80 000 Todesfälle durch Überdosierung. Für die überwiegende Mehrheit – knapp 50 000 – dieser Todesfälle war Fentanyl verantwortlich, das eher selten über Boote ins Land kommt und noch seltener über die Karibikroute, die die USA seit Anfang September ins Visier genommen haben.

Offiziellen Zahlen zufolge kommen nur zehn Prozent der Drogen – überwiegend Kokain –, die an die US-Küste gelangen, über die Karibik. Die häufigste Route führt über den Pazifik mit drei Hauptursprungsländern: Mexiko, Kolumbien und Ecuador. Erster Adressat der US-amerikanischen Angriffe war indes die Karbikroute und Venezuela, wo Trump inzwischen öffentlich CIA-Operationen autorisiert hat, um den unliebsamen Präsidenten Nicolás Maduro aus dem Amt zu entfernen.

Maduro und Petro im Visier der USA

Nach Maduro geriet auch der linke kolumbianische Präsident Gustavo Petro ins Visier, weil er sich als einer der wenigen in der internationalen Gemeinschaft gegen die außergerichtlichen Tötungen auf hoher See durch die USA ausgesprochen hatte und von den USA öffentlich Aufklärung über den Tod des Kolumbianers Alejandro Carranza forderte: »Beamte der US-Regierung haben einen Mord begangen und unsere Souveränität in unseren Hoheitsgewässern verletzt. Der Fischer Alejandro Carranza hatte keine Verbindungen zum Drogenhandel, und sein tägliches Geschäft war das Fischen«, sagte Petro am 18. Oktober auf X mit Bezug auf Ereignisse im September. Statt einer Erklärung stellte Trump neue Zölle für kolumbianische Waren in Aussicht, verkündete die sofortige Einstellung der Finanzhilfe und beschimpfte Petro als »Drogenbaron«.

Trump lässt in seinem Hinterhof die Muskeln spielen und hatte im August die größte US-Marinepräsenz in der Karibik seit dem Ende des Kalten Krieges angeordnet. Diese Machtdemonstration umfasst insgesamt zehn Kriegsschiffe, darunter drei Zerstörer, ein amphibisches Angriffsschiff, einen Raketenkreuzer und ein atomgetriebenes U-Boot sowie etwa 10 000 Soldaten. Darüber hinaus wurden 10 F-35-Kampfflugzeuge der neuesten Generation nach Puerto Rico entsandt.

»Diese Waffensysteme haben eine viel zu große Zerstörungskraft für die Drogenbekämpfung. Meine Annahme ist deshalb, dass jetzt ein Einsatz gegen das Maduro-Regime möglich ist.«

James Story US-Botschafter a. D.

Im September schlugen die USA los. Die ersten sieben Angriffe auf Schnellboote erfolgten in der Karibik. Mehr als 30 Menschen sollen dabei getötet worden sein. Beweise über die Verwicklung der Besatzung dieser Schiffe in den Drogenhandel oder über deren Ladung wurden bisher nicht vorgelegt, sondern nur behauptet.

Mittlerweile ist auch der Pazifik Einsatzgebiet. Am 21. und 22. Oktober erfolgten dort die ersten beiden Angriffe. Fünf Narco-Terroristen wurden dabei getötet. US-Verteidigungsminister Pete Hegseth sprach davon, dass das erste dort angegriffene Boot von einer »Terrororganisation« benutzt worden, auf einer bekannten Schmuggelroute gefahren und mit Drogen beladen gewesen sei. Drogenkartelle verglich er dabei mit der islamistischen Terrororganisation Al-Qaida.

»Diese Angriffe werden fortgesetzt, Tag für Tag«, betonte Hegseth in seinem Post. Und er hielt Wort: Insgesamt habe es am Montag drei Attacken auf vier Boote gegeben, bei denen 14 Menschen getötet worden seien, erklärte der Pentagon-Chef diese Woche auf der Plattform X. Hegseth gab außerdem an, die Attacken hätten in internationalen Gewässern stattgefunden. 13 US-Militärangriffe auf Drogenschmuggler in der Karibik und im Pazifik seit Anfang September mit 57 Toten sind laut US-Regierung inzwischen zu verzeichnen.

Keine Rechenschaft über das Töten

Ein Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres sagte auf Nachfrage der dpa in New York, man sei »sehr besorgt über die zunehmenden militärischen Aktivitäten auf offener See«. Es sei wichtig, eine weitere Eskalation zu vermeiden und Konflikte auf diplomatischem Weg zu lösen. »Jedes Mal, wenn jemand getötet wird, muss Rechenschaft abgelegt werden«, betonte der Sprecher. Konkret zu den neuen Angriffen äußerte er sich nicht. 

Auf dem Weg nach Lateinamerika ist nun auch die »USS Gerald R. Ford«, der modernste und größte Flugzeugträger der Welt, mitsamt Geleitschiffen. All das nur für den Kampf gegen »Narco-Terroristen«? James Story diente in Trumps erster Amtszeit als US-Botschafter in Venezuela. Dem Sender NPR sagte er: »Diese Waffensysteme haben eine viel zu große Zerstörungskraft für die Drogenbekämpfung. Meine Annahme ist deshalb, dass jetzt ein Einsatz gegen das Maduro-Regime möglich ist.«

Sicher ist: Die USA haben ihren Kampf gegen organisierte Kriminalität militarisiert. Traditionell bekämpft die US-Küstenwache im Auftrag des Heimatschutzministeriums den Drogenschmuggel auf dem Seeweg. Dabei geht es um die Festnahme von Verdächtigen, um verwertbare Beweise und die Sicherstellung von Schmuggelware für ein Gerichtsverfahren in den USA. Unter Präsident Trump ist nun auch das Verteidigungsministerium zuständig. Ein Schritt, der nicht nur öffentlichkeitswirksame Symbolik birgt, sondern auch neue operative Möglichkeiten eröffnet, wie sich in den vergangenen Monaten zeigte.

Auf derselben UN-Generalversammlung wie Trump sprach auch Brasiliens Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva: Er bezeichnete die US-Angriffe auf Boote mit Zivilist*innen als das, was sie sind: »außergerichtliche Hinrichtungen«.