nd-aktuell.de / 29.10.2025 / Kommentare

Undemokratische Schuldenbremse

Finnlands Regierungen sollen einen rigorosen Sparkurs umsetzen – ohne Mitsprache des Parlaments

Veikka Lahtinen
Das Klima in Finnland könnte ungemütlich werden: Auch EU-Chefin Ursula von der Leyen drängte im Sommer beim finnischen Regierungschef Petteri Orpo auf Sparmaßnahmen.
Das Klima in Finnland könnte ungemütlich werden: Auch EU-Chefin Ursula von der Leyen drängte im Sommer beim finnischen Regierungschef Petteri Orpo auf Sparmaßnahmen.

Eine Definition des Neoliberalismus besagt, dass er wirtschaftliche Fragen aus politischen Entscheidungen ausklammert. Genau das geschah nun in Finnland, als sich die Parteien auf die Schuldenbremse einigten. Gemeinsam beschlossen sie, dass das finnische Parlament fortan bei Maßnahmen zur Verringerung der Verschuldung nicht mehr mitsprechen darf. Auch die Bürgerinnen und Bürger können somit nicht mehr durch Wahlen mitentscheiden, wie die Schuldenbremse umgesetzt wird.

Das Linksbündnis war an den Verhandlungen zur Schuldenbremse beteiligt, nicht aber am Abkommen selbst. Das bedeutet in der Praxis wahrscheinlich, dass die Partei in der nächsten Regierung kein Mitspracherecht hat. Denn diese wird mit ziemlicher Sicherheit von den Parteien gebildet, die sich auf die Schuldenbremse geeinigt haben. Obwohl: Bei der nächsten Regierung wird es sich wahrscheinlich ohnehin um eine »haushaltsdisziplinierte« aus Nationaler Sammlungspartei (die amtierende konservative Regierungspartei – d. R.) und der SDP (Sozialdemokratische Partei – d. R.) handeln.

Die Grünen hingegen entschieden sich »mutig« für die Schuldenvereinbarung. Die Partei rechtfertigt dies so, dass damit ein besseres Modell entstanden sei, als es ohne die Grünen möglich gewesen wäre. Dies scheint die Standardantwort zu sein: Die Rechtfertigung für die Übernahme der Politik der größeren bürgerlichen Parteien liegt darin, dass zunächst schlechtere Vorschläge »verbessert« würden. Allerdings scheinen ehemalige Grünen-Wähler die Unfähigkeit der Partei, sich von den Kürzungen der Regierung abzugrenzen, nicht sonderlich zu schätzen.

Die praktischen Auswirkungen der Schuldenbremse werden sich erst zeigen, wenn ihr Mechanismus umgesetzt wird. Als Vorschlag erscheint sie jedoch bereits jetzt schon als schlechte Idee: Sie schränkt den wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum ein, der durch die Euro-Regeln ohnehin bereits begrenzt ist. Schlimmstenfalls wird sie Finnland an ewige Kürzungen binden. Finnlands Wirtschaftspolitik wird nun offiziell als »ökonomische Disziplin« definiert, was ganz praktisch als stetige Verschlechterung der Lebensbedingungen erscheinen wird.

Die finnische Politik braucht eine grundlegende Wende, die nur durch eine Mobilisierung gegen die Sparpolitik erreicht werden kann. Die Regierung von Petteri Orpo hat dem Kultursektor, den Gewerkschaften, Einwanderern und Sozialhilfeempfängern einen Schlag nach dem anderen versetzt. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um in diesem Land weiterhin ein vernünftiges Leben führen zu können.

Dieser Text ist am 27. Oktober in unserem Partnermedium »Kansan Uutiset« (Finnland) erschienen.[1] Er wurde nachbearbeitet und gekürzt.

Links:

  1. https://www.ku.fi/artikkeli/5227710-velkajarru-pohjassa-pain-seinaa