Den Abschluss des Bühnenprogramms bei der Buchmesse »Seitenwechsel«[1] am Sonntag bilden Uwe Steimle, der aus Beiträgen seiner »Aktuellen Kamera« vorliest, und Uwe Tellkamp, der Auszüge aus einem neuen Roman vorstellen will. Steimle und Tellkamp sind eng mit der Messe-Veranstalterin, der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen, verbunden. Alle drei eint die gleiche Erzählung, sie seien ausgegrenzt worden, nur weil sie ihre Meinung gesagt haben. Nun, ihre geäußerten Meinungen waren meist rechts, rückwärtsgewandt und nicht selten rassistisch.
Von organisierten Rechten wurde das goutiert, und Vernetzungen und Kooperationen wurden immer enger. Susanne Dagen betreibt mit der neurechten Denkerin und Kubitschek-Partnerin Ellen Kositza einen eigenen Literatur-Podcast. Kein Wunder also, dass Dagen gerade aus diesem Milieu bei ihrem Buchmesseprojekt unterstützt wird. Der neurechte Vordenker Götz Kubitschek holte sie genauso wie der Jungeuropa-Verlag in ihre Podcasts. In beiden Fällen wurde die Buchhändlerin für die Organisation der Messe gefeiert. Dagen sei eine von nur ganz wenigen Personen, die in der Lage seien, so ein breites Spektrum unter einem Dach zu vereinen.
Und ja, das Spektrum der Buchmesse bildet alle Schattierungen der deutschen Rechten ab. Vom Sturmzeichen-Verlag des Neonazis Sascha Krolzig, der die Zeitschrift »Nationaler Sozialismus Heute« herausgibt, bis zum liberalen Blog »Achse des Guten«. Dementsprechend breit ist auch das Angebot an Veranstaltungen jenseits des reinen Bücherverkaufs.
Michael Brück, heute bei den Freien Sachsen aktiv, gibt Autogramme in sein Buch »Kampf um Dortmund«, in dem er schildert, wie die Ruhrgebietsstadt zur Nazi-Hochburg wurde.[2] Am anderen, bürgerlichen Ende des Ausstellerspektrums dürfte sich der Blog »Tichys Einblick« befinden, der am Samstag eine eigene Abendveranstaltung auf der Messe plant. Gäste unter anderem: Gloria von Thurn und Taxis, Matthias Matussek und Vera Lengsfeld.
Wie ernst man es mit der Meinungsvielfalt meint, demonstrierten Susanne Dagen und ihr »Beantwortungsbeauftragter« Bernd Zeller in einem Video. Darin zitieren sie eine Anfrage zur Akkreditierung für die Messe, über die sie sich gleichzeitig lustig machen. Dann erklären sie, dass es keine Akkreditierungen für die Messe geben wird. Möglich sei ein begleiteter Rundgang, bei dem die Arbeit von Medienvertreter*innen außerdem aufgezeichnet werden soll. Mehr als fragwürdige Arbeitsbedingungen für Journalist*innen also.
Das rechte Literaturtreffen stößt in Halle auch auf Widerspruch. Als kulturelles Gegenprogramm findet am Freitag und Samstag das »Wir«-Festival[3] statt. Unter anderem die Deutscher-Buchpreis-Trägerin Martina Hefter, die Journalistin Gilda Sahebi und Manja Präkels treten dort auf. Direkten Protest an der Mess[4]e plant das Bündnis Antifaschistischer Zeitenwechsel am Samstagvormittag. In seinem Aufruf warnt das Bündnis, »extrem rechte Ideologieproduktion« drohe zur Normalität zu werden. Bei der Messe gehe es nicht darum, Meinungen auszutauschen oder frei zu debattieren, sondern um »das Ende dieses Austausches«. Denn der Kern der Messe werde von Faschist*innen dominiert. Der Messe Halle wirft das antifaschistische Bündnis ideologische und organisatorische Unterstützung für die extrem rechte Messe vor.
Auffällig ist jedenfalls, dass sowohl die Messe in Halle, als auch die Messe in Gießen von der Zwerenz-Gruppe aus Dresden betrieben werden. Während der Gießener Messe soll Ende des Monats die Neugründung der AfD-Jugendorganisation stattfinden. Dort führt die Vermietung an die extreme Rechte auch zu ersten Konsequenzen. Ein Konzertveranstalter, der die Messe seit über 20 Jahren nutzt, beendete vor wenigen Tagen die Zusammenarbeit. In einer Mitteilung heißt es, man lege viel Wert darauf, »dass Kulturveranstaltungen in einem Umfeld stattfinden, das Offenheit, Toleranz und Vielfalt fördere«. Das sei bei der Messe Gießen nicht mehr der Fall.