Als es mit dem Abpfiff vollbracht war, ging vom Pariser Prinzenpark ein weiteres Signal an die europäische Konkurrenz aus: Vincent Kompany rannte im Vollsprint zu seinen Spielern, Kapitän Manuel Neuer rief alle zusammen – und die Mannschaft des FC Bayern[1] bildete mit ihrem Trainer einen engen Kreis. Gemeinsam feierten sie Arm in Arm über den Pariser Rasen hüpfend ihren 16. Pflichtspielsieg in Serie.
Das 2:1 (2:0) der Münchner am Dienstagabend bei Titelverteidiger Paris Saint-Germain[2] war ein in vielerlei Hinsicht bemerkenswerter Erfolg, zudem ein großer Schritt in Richtung Achtelfinale der Champions League[3]. Mit der danach demonstrativ gezeigten Wagenburgmentalität, mit ihrer Geschlossenheit verdeutlichten die Münchner[4] ihre Botschaft, dass mit ihnen in dieser Saison auch international zu rechnen ist. Vor allem auch deshalb, weil Kompanys Mannschaft die ganze Bandbreite ihrer Fähigkeiten demonstriert hatte.
»Wir haben gezeigt, dass wir nicht nur schön gewinnen können, sondern auch solche Spiele, in denen wir 45 Minuten nur verteidigen müssen«, beschrieb Linksverteidiger Josip Stanisic eine Erkenntnis. »Wir konnten eine andere Facette zeigen, eine Facette, die wir über die Saison gesehen auch brauchen werden. Es war gut zu sehen, dass wir das können«, erklärte Joshua Kimmich dazu. Und Sportvorstand Max Eberl frohlockte: »Wie wir als Mannschaft, als Gruppe agieren, auf und neben dem Platz, das lässt was Richtiges entstehen.«
Zunächst war den Bayern mit dem Mix aus maximalem Selbstvertrauen und bestmöglicher Fitness eine spielerische Machtdemonstration gelungen, als sie Paris mit ihrem offensiven, fast permanenten Hochgeschwindigkeits-Pressing regelrecht erdrückten und sogar noch mehr als die Tore von Luis Díaz in der vierten und 32. Minute hätten erzielen können. Der erste Treffer fiel nach einem Ballgewinn und rasend schnellem Umschaltspiel, der zweite, als Díaz dem unaufmerksamen PSG-Kapitän Marquinhos vorm Strafraum den Ball vom Fuß nahm und vollendete.
Die auch für die Zuschauer atemberaubende Intensität, in der Paris zwar mehr Ballbesitz sammelte, aber unterlegen agierte, beschrieb Kimmich später so: »Nach 25 Minuten habe ich mal nach oben geguckt und gedacht, ich kippe gleich um.« Er bezeichnete die erste Halbzeit sogar als die beste, die er in seiner gesamten Zeit beim FC Bayern erlebt habe, also seit 2015. Nach der roten Karte gegen Díaz wegen eines unnötigen Fouls gegen Achraf Hakimi in der Nachspielzeit der ersten Hälfte schafften es die Münchner sogar in Unterzahl, das Spiel bis Mitte der zweiten Halbzeit zu kontrollieren.
Dann wurde auch Paris gefährlicher, kam nach 74 Minuten durch João Neves zum Anschlusstreffer – und dem Ausgleich immer wieder nahe. Den Sieg sicherte neben den herausragenden Innenverteidigern Dayot Upamecano und Jonathan Tah vor allem auch Torwart Manuel Neuer. Das ließ den Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen bei seiner Bankettrede über den 39-Jährigen witzeln: »Wahnsinn, was du in dem Alter noch alles vollbringen kannst.« Vollkommen ernst gemeint und viel nachhallender war Dreesens Kollektivlob: »Liebe Mannschaft: Wow, Wahnsinn!« So glückselig sie beim FC Bayern gerade sind, wissen sie aber auch, dass der größte Teil der Strecke bis zur erhofften Finalteilnahme in Budapest in sieben Monaten noch vor ihnen liegt, angefangen mit dem nächsten Spitzenspiel beim FC Arsenal Ende November.
Ob man jetzt einer der Topfavoriten auf den Titel sei? »Es ist viel zu früh, darüber zu sprechen«, sagte Kimmich und erinnerte daran, dass schon viele Mannschaften im November sehr gut in Form gewesen seien, es aber auf die Form im Frühjahr ankomme. Die Bayern hoffen, ihre aktuelle Leistungsfähigkeit ebenso konservieren zu können wie ihren Zusammenhalt, auch dann, wenn die Langzeitverletzten Jamal Musiala, Alphonso Davies und Hiroki Ito eingebaut werden. Der Status quo aber stimmt sie zuversichtlich. »Momentan sind wir natürlich ein europäisches Topteam«, befand der oft kritische Kimmich und ergänzte: »Das hätte ich vor der Saison wahrscheinlich nicht gesagt, aber uns hilft der kleine Kader. Jeder kennt seine Rolle, jeder ist sehr wichtig. Das schweißt eine Gruppe zusammen.«