nd-aktuell.de / 06.11.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Milliarden gehen bei Anpassung leer aus

Hilfen fließen aus wirtschaftlichen Gründen vor allem in Klimaschutzmaßnahmen

Jörg Staude
Tropenstürme werden extremer: Zerstörung auf den Philippinen durch den Taifun »Kalmaegi«.
Tropenstürme werden extremer: Zerstörung auf den Philippinen durch den Taifun »Kalmaegi«.

Eine Schneise der Zerstörung hat der Taifun »Kalmaegi« in Teilen der Philippinen gezogen. Nach Angaben des Zivilschutzes von Donnerstag kamen mehr als 140 Menschen ums Leben, viele wurden noch vermisst. Mehr als 500 000 Bewohner warteten noch auf die Rückkehr in ihr Zuhause. Auf der Insel Cebu wurden ganze Städte und Dörfer überflutet. Die schlammigen Fluten rissen Autos, Lastwagen und sogar riesige Schiffscontainer mit. Gouverneurin Pamela Baricuatro sagte in einem Radio-Interview, das Chaos sei »beispiellos«.

Dass tropische Wirbelstürme häufiger werden, schneller an Stärke zunehmen und länger über Land bleiben, ist eine Folge des Klimawandels. [1]Wie extrem die Überschwemmungen noch werden, hängt von der Höhe der Erwärmung ab. Das Problem verschärft sich so oder so, auch durch den steigenden Meeresspiegel. Sich dagegen zu wappnen, ist ein klassischer Fall von Klimaanpassung. Helfen kann ein besserer Küstenschutz wie der Bau sogenannter Klimadeiche oder das Anlegen von Poldern. Bei stärkerer Betroffenheit müssten ganze Küstenstädte ins Landesinnere verlegt werden. Die Bevölkerung von Inselatollen, die nur wenig aus dem Ozean herausragen, bereiten sich jetzt schon darauf vor, früher oder später aufs Festland umzusiedeln. All das kostet viel Geld, das von der Erderwärmung besonders betroffenen Ländern im globalen Süden oftmals fehlt.[2] Da sie aber auch wenig zum Klimawandel beigetragen haben, stehen die reicheren Länder in der Pflicht, diese Ungerechtigkeit finanziell auszugleichen. Hierbei geht es nicht nur um Schutz vor Überschwemmungen, sondern unter anderem auch um Aufforstung, Bodenschutz und die Sicherung der Wasserversorgung.

Wie es aktuell um die Finanzierung der Klimaanpassung steht, spiegelt der kürzlich vorgestellte »Climate Adaptation Finance Index« (CAFI) der Hilfsorganisation Brot für die Welt wider. Er gibt an, ob die Gelder in Bezug auf Klimarisiko und Bevölkerungsgröße der Empfängerländer gerecht verteilt sind. Nur 0,1 Prozent der Menschen in den 129 untersuchten Ländern erhalten danach einen risikogerechten Finanzierungsanteil. 96 Prozent der Betroffenen sind stark oder sogar extrem unterfinanziert – in absoluten Zahlen trifft dies laut der Untersuchung auf etwa sechs Milliarden Menschen zu. Zu den derzeit am stärksten unterfinanzierten Ländern zählen Afghanistan, Tschad, Südsudan, Somalia, Niger, Mali und Jemen. Von den drei besonders betroffenen Ländergruppen – das sind die am wenigsten entwickelten Länder, die afrikanischen Staaten sowie die kleinen Inselentwicklungsländer – erhalten laut dem neuen Index lediglich letztere eine moderate Finanzierung im Verhältnis zu ihren Klimarisiken.

Der globale Süden fordert eine Verdreifachung der Finanzflüsse für die Klimaanpassung bis 2030.

»Es ist dramatisch zu sehen, dass die Staaten mit den höchsten Klimarisiken am wenigsten Zugang haben zur Anpassungsfinanzierung – ja, diese Länder werden geradezu gemieden«, stellt Sabine Minninger von Brot für die Welt fest. Verteilungsgerechtigkeit sei nicht zu beobachten, kritisiert die Klimaexpertin. Das betreffe die Gelder, die aus Deutschland kommen, genauso wie die von anderen Geberländern. Und nach dem weitgehenden Rückzug der USA aus der Klimafinanzierung wächst die Finanzlücke sogar.

Im Jahr 2022 – dem letzten, für das Daten verfügbar sind – hatten die USA an der Anpassungsfinanzierung einen Anteil von 6,4 Prozent oder 4,2 Milliarden US-Dollar. Die 129 Index-Länder erhielten davon rund 2,8 Milliarden Dollar. Mehr Geld kam von den multilateralen Entwicklungsbanken, Deutschland, der EU, Frankreich und Japan. Brot für die Welt untersuchte auch, ob die Industrieländer ihre Zusage vom Klimagipfel 2021 in Glasgow einhalten, von 2019 bis 2025 ihre Hilfen für die Klimaanpassung in Entwicklungsländern zu verdoppeln. Laut einer Datenbank der OECD stieg die gesamte Anpassungsfinanzierung aus Industrieländern von 2019 bis 2022 in absoluten Zahlen zwar an. Der Anteil an der gesamten Klimafinanzierung sank hingegen von 34 auf 29 Prozent – von der vereinbarten Balance zwischen Klimaschutz und Anpassung ist man weit entfernt.

Hinter dieser Entwicklung verbergen sich häufig wirtschaftliche Interessen. So gehen Klimaschutzprojekte oft mit dem Export entsprechender Technologien einher. Die Verteilung der Gelder finde nicht gemäß der Klimarisiken statt, sondern es seien offenbar andere Indikatoren ausschlaggebend, vermutet auch Sabine Minninger. Sie fordert, bei der Klimafinanzierung die Interessen der vulnerablen, also besonders stark betroffenen Länder in den Fokus zu nehmen. Entscheidend werde dafür die kommende Weltklimakonferenz im brasilianischen Belém sein. COP 30 ist für Minninger de facto ein »Klimaanpassungsgipfel«, bei dem, genau besehen, eine einzige »harte« Entscheidung zu fällen sein wird – die zum globalen Anpassungsziel. Der globale Süden fordert für diesen Bereich eine Verdreifachung der Finanzflüsse bis 2030. Zur Umsetzung soll sich der Gipfel auf eine Liste von Indikatoren einigen, die, vereinfacht gesagt, einen gezielteren Einsatz der Anpassungsgelder sichern sollen, beispielsweise mit konkreten Vorgaben in Bereichen wie Gesundheit oder Landwirtschaft.

Brot für die Welt weist in dem Zusammenhang auch darauf hin, dass die am stärksten betroffenen 20 Länder bis 2031 etwa 750 Milliarden US-Dollar allein für den Schuldendienst ausgeben müssen. Bei 16 dieser Staaten machte das 2024 mehr als 20 Prozent ihrer Steuereinnahmen aus. Die Hilfsorganisation fordert deswegen, die Anpassungsfinanzierung nicht nur zu erhöhen, sondern auch als Zuschuss statt auf Kredit zu gewähren, um die Überschuldung nicht weiter zu erhöhen. Zudem würden neue Finanzierungsquellen benötigt, die dem Verursacherprinzip entsprechen: Steuern für Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie und für Superreiche sowie eine globale Solidaritätsabgabe, beispielsweise auf Flüge und Privatjets.

Taifun »Kalmaegi« erreichte am Abend Vietnam, das bereits in den vergangenen Tagen von Rekordregenfällen und Überschwemmungen mit 47 Toten heimgesucht worden war. Und auf den Philippinen bereitet man sich schon auf den nächsten Tropensturm vor: »Fung-wong« soll am Montag als Supertaifun auf die Küste treffen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195141.karibik-hurrikan-melissa-kubas-zivilschutz-greift.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176036.afrika-klimagipfel-die-meisten-leute-haben-keine-ahnung-vom-globalen-sueden.html