nd-aktuell.de / 06.11.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Eine COP für den Amazonas-Tourismus

Brasiliens Regierung präsentiert sich in Belém als Waldschützer – und setzt auf mehr Ölförderung

Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
Präsident Lula begrüßt den Premierminister von Papua-Neuguinea zur COP.
Präsident Lula begrüßt den Premierminister von Papua-Neuguinea zur COP.

Es war Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva, der die Idee hatte, die 30. UN-Klimakonferenz nach Belém am Amazonasdelta zu holen. Er und seine Regierung möchten sich als vorbildliche Klima- und Tropenwaldschützer präsentieren. Der Beschluss eines neuen Fonds für Waldschutz bei COP 30 soll dies verdeutlichen.

Für die Megaveranstaltung wurden keine Kosten gescheut: Rund 800 Millionen Euro flossen, um die Stadt für den Gipfel »fit zu machen«, wie es offiziell heißt. [1]Einen Großteil der Gelder verschlang die Verdoppelung der Kapazität des Flughafens der Metropole, wo nun rund 13 Millionen Passagiere pro Jahr abgefertigt werden können. Zudem ermöglicht eine neue, durch Regenwald und lokale Gemeinden geklotzte vierspurige Schnellstraße inklusive Fahrradstreifen den bequemen Transport der voraussichtlich 50 000 COP-30-Gäste zu den Veranstaltungsorten. Beléms Hafen erhielt ein eigens für Riesenkreuzfahrtschiffe konstruiertes Terminal. »Diese Projekte stärken den Tourismus, schaffen Arbeitsplätze und Einkommen und hinterlassen ein Infrastruktur-Erbe, das weit über die COP 30 hinaus den Menschen in Pará konkrete Vorteile bringt«, verspricht Tourismusminister Celso Sabino.

Die Großbauten sind indes kaum als Klima- oder Regenwaldschutzmaßnahme zu bezeichnen. Bedenklich für die COP-30-Verhandlungen ist zudem das Festhalten der Lula-Regierung an der Ausweitung der brasilianischen Erdölproduktion. Erst vor wenigen Tagen erlaubte die Umweltbehörde Ibama Probebohrungen durch den teilstaatlichen Konzern Petrobras im ökologisch reichen und gleichzeitig empfindlichen Mündungsgebiet des Amazonas. [2]Ein Schock für Betroffene: »Dieses ausbeuterische Projekt schreitet voran, ohne die Stimmen, Rechte und die Existenz der indigenen Völker zu berücksichtigen, die die wahren Hüter und Verteidiger des Amazonaswaldes sind«, erklärte die Vereinigung der indigenen Organisationen des brasilianischen Amazonasgebiets. »Während die brasilianische Regierung von anderen Ländern ernsthaftere Klimaverpflichtungen fordert, investiert sie selbst in die Exploration fossiler Brennstoffe auf ihrem Territorium – eine der Hauptursachen der Klimakrise, die die Welt plagt.«

Das brasilianische Amazonasgebiet verzeichnete 2024 den größten Waldverlust seit dem Rekordhoch 2016 unter Jair Bolsonaro.

Und wie sieht es mit Lulas Regenwaldschutzbilanz aus? Ende Oktober vermeldete die Regierung einen Rückgang der Abholzung in Amazonien. Satellitendaten des Nationalen Weltraumforschungsinstituts INPE zufolge wurden zwischen August 2024 und Juli 2025 hier »lediglich« 5796 Quadratkilometer, rund 811 Fußballfelder, Wald kahlgeschlagen. Das entspricht einem Rückgang von elf Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum und war die niedrigste Abholzungsrate seit 2014, so die Regierungsmitteilung. Ähnliche Zahlen wurden aus der Cerrado-Region, der Feuchtsavanne im Südosten des Landes, gemeldet: »Diese Zahlen bestätigen den Abwärtstrend, der nach fünf Jahren ununterbrochener Zunahme im Jahr 2023 einsetzte.«

Dies ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der Waldverlust durch Brände wurde in der offiziellen Erfolgsstatistik nicht mitgerechnet. Im Amazonasgebiet gingen im vergangenen Jahr 179 000 Quadratkilometer Wald und Viehweiden in Rauch und Asche auf, 58 Prozent mehr als im Vorjahr. Dass zum Teil Streichhölzer die Kettensäge ersetzen, gilt auch für den Cerrado. [3]Der Datenanbieter MapBiomas registrierte hier »einen Anstieg von 47 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der vergangenen sechs Jahre«.

Anders als Lulas Regierungsbeamte erfasst das renommierte World Resources Institut in seinen jährlichen Waldverlustberechnungen Kahlschläge und Brandrodungen. Demnach verzeichnete das brasilianische Amazonasgebiet 2024 den größten Waldverlust seit dem Rekordhoch 2016 in der Regierungszeit des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro. 28 200 Quadratkilometer Primärregenwald gingen verloren, rund 110 Prozent mehr als 2023.

Zudem nimmt die Walddegradierung zu. Geschädigter Wald, beispielsweise durch selektiven Holzeinschlag, Zerstückelung und Forststraßen, hat ein dünneres Kronendach, ist anfälliger für Dürren und lässt sich damit leichter abfackeln. Daten des Amazonas-Instituts für Mensch und Umwelt zufolge gab es just 2024 eine explosionsartige Zunahme im Amazonasgebiet auf einen neuen Höchststand seit Beginn der Statistik 2009: 36 400 Quadratkilometer Regenwald wurden degradiert.

Allen diesen negativen Vorzeichen zum Trotz hofft Philip Martin Fearnside vom Nationalen Amazonas-Forschungsinstitut in Manaus auf eine erfolgreiche COP 30. Der brasilianische Regenwaldforscher setzt darauf, »dass sich die Länder, einschließlich Brasilien, darauf einigen, die Nutzung fossiler Brennstoffe rasch zu stoppen und die Förderung einzuschränken, einschließlich des Verzichts auf die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder«. Gegenüber »nd« sagt Fearnside: »Länder, die Emissionen durch Abholzung und Waldschädigung verursachen, darunter Brasilien, müssen sich verpflichten, diese Emissionen zu eliminieren. Dies erfordert nicht nur die Bekämpfung der Symptome, wie Brasilien es derzeit mit Kontrollen und Bußgeldern tut, sondern im besonderen auch die Beseitigung der zugrunde liegenden Ursachen des Waldverlusts, was Brasilien offensichtlich noch nicht tut.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194869.brasilien-weltklimakonferenz-belems-unerfuelle-utopie.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192116.ressourcenhunger-auktionshammer-an-brasiliens-kueste.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1160516.flut-in-brasilien-brasiliens-hausgemachte-flutkatastrophe.html?sstr=Cerrado