Es kommt nicht von ungefähr, dass viele Leute glauben, dass Einwanderung mit einem Sicherheitsrisiko eingeht, also dass Migration und Kriminalität irgendwie zusammenhängen: Ausländische Tatverdächtige sind in deutschen Medien um das Dreifache überrepräsentiert. Und Tatverdächtige aus muslimischen Ländern um das Vierfache! Das heißt, wir hören viermal mehr von mutmaßlichen (nicht einmal verurteilten!) arabischen Messerstechern, als die Polizei überhaupt gemeldet hat.
Aber gefühlte Wahrheiten sind ja auch wichtig. Wenn man das Gefühl hat, dass Ausländer irgendwie gefährlich sind, dann fürchtet man sich ja auch wirklich. Und dann fühlt man – also als weißer Deutscher – sich erst wieder sicher, wenn man weniger Ausländer sieht, egal ob die nun gefährliche Verbrecher sind oder einfach dunkelhaarige Familienväter, die gerade von der Arbeit kommen. Kein Wunder, dass der besorgte Bürger Friedrich Merz (CDU) schnell Leute abschieben will[1], um so das Stadtbild zu verbessern. Damit seine Töchter endlich abends ohne Papa-Taxi in die Disco dürfen!
Der Haken ist nur, dass diese diffusen Ängste und die alarmistische Berichterstattung nicht auf Tatsachen beruhen. Deutsche Leitmedien berichten weit häufiger über Gewalttaten von Ausländern, als es deren Anteil in der Polizeilichen Kriminalstatistik entspricht. Dies hat die neue Medienanalyse von Thomas Hestermann[2] an der Macromedia University of Applied Sciences ergeben. Der Journalismusprofessor beobachtet seit 2007 in einer Langzeitstudie die deutsche Berichterstattung über Migration und Kriminalität. Für die aktuelle Studie wurden am Jahresanfang 2025 über mehrere Wochen hinweg folgende Fernsehsender analysiert: ARD, ZDF, RTL, Sat.1, ProSieben, Kabel Eins, Vox und RTL Zwei, dazu folgende Printmedien: »Bild«, »Süddeutsche Zeitung«, »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, »Welt« und »taz«.
Das Ergebnis der Analyse war niederschmetternd – die großen Leitmedien verzerren gewaltig, wenn es um Ausländer und Kriminalität geht: Der polizeilich erfasste Anteil ausländischer Tatverdächtiger bei Gewaltdelikten beläuft sich laut der aktuellsten polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes[3] auf 34,3 Prozent, was in etwa dem Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte an der Gesamtbevölkerung entspricht. Das heißt: Sie sind nicht krimineller als Deutsche auch. Ausländische Tatverdächtige sind damit in den Medien etwa dreifach überrepräsentiert.
Tatverdächtige aus muslimischen Herkunftsländern werden besonders unfair dargestellt – sie sind ums Vierfache überrepräsentiert. In der Polizeilichen Kriminalstatistik findet sich also nur ein Viertel von all den angeblichen Verbrechen von kriminellen Arabern, mit denen wir die ganze Zeit in der Presse bombardiert werden.
Diese Studie wurde in den vielen überregionalen Medien besprochen, wie etwa in der »Zeit«[4]. Die Frage ist, welche Konsequenzen werden daraus gezogen?
»Schockzahlen: 100 000 Straftaten durch Afghanen« titelt die »Bild«. So und ähnlich lauten die Schlagzeilen zur »Ausländerkriminalität«, die uns tagtäglich aus den Medien entgegenbrüllen. Entgegen besseren Wissens sind es auch die Qualitätsmedien, die sich von rechten Gruppen und AfD-Anfragen dazu bringen lassen, das angebliche Tabu-Thema »Ausländerkriminalität« in völlig übertriebener Weise darzustellen. Also viel zu oft und viel zu verzerrend, mit anderen Worten: Clickbaiting auf Kosten migrantischer Menschen.
Bestimmte Gruppen, beispielsweise »die Araber«, »die Türken« oder »die Muslime«, als Menschen mit angeborener Kriminalität zu bezeichnen, ist nichts anderes als Rassismus und Diskriminierung. Es gibt soziologische Erklärungen, warum bestimmte soziale Schichten oder bestimmte Altersgruppen oder auch Geschlechter (nämlich Männer) krimineller sind als andere Bevölkerungsgruppen. Aber ethnische oder religiösen Zugehörigkeit sind nie die entscheidenden Faktoren. In deutschen Medien sieht es jedoch anders aus: Kriminell sind immer die üblichen Verdächtigen.
Dies ist Gift für den sozialen Frieden. Teile der weißen deutschen Bevölkerung leben irrigerweise in der Annahme, ihre migrantischen Mitbürger*innen würden eine Bedrohung für sie darstellen. Und Deutsche aus migrantischen Familien fühlen sich – zu Recht! – unfair behandelt und kriminalisiert. Gewinner dabei sind ultrarechte Gruppen und die AfD, die sich als Beschützer der weißen Bevölkerung aufspielen. Mit anderen Worten: Es ist mehr als notwendig, dass Qualitätsmedien die Ergebnisse dieser Studie ernstnehmen – und sich korrigieren. Es wäre besser für uns alle.