nd-aktuell.de / 07.11.2025 / Berlin

Ohne Tarif­einigung: Verdi beendet Konflikt mit Tiktok

165 Mitarbeiter werden durch Künstliche Intelligenz ersetzt

Christian Lelek
Beim ersten Warnstreik Mitte Juli: »Wir trainierten eure Maschinen. Zahlt uns, was wir verdienen«, steht auf dem Banner der Tiktok-Beschäftigten.
Beim ersten Warnstreik Mitte Juli: »Wir trainierten eure Maschinen. Zahlt uns, was wir verdienen«, steht auf dem Banner der Tiktok-Beschäftigten.

Die Gewerkschaft Verdi hat die Auseinandersetzung mit der Social-Media-Plattform Tiktok[1] in Berlin für beendet erklärt. Das Ziel einer Tarifvereinbarung zur Verbesserung der Kündigungsbedingungen für 165 Kolleg*innen, die das Unternehmen verlassen werden[2], sei nicht erreicht worden. Im Sommer waren die Pläne Tiktoks bekannt geworden, vor allem Stellen im Content-Management durch Künstliche Intelligenz ersetzen zu wollen. Die Abteilung kontrolliert Beiträge auf potenziell problematische Inhalte.

Dass sich Tiktok Germany, Tochterunternehmen des chinesischen Bytedance-Konzerns, auf eine Tarifeinigung mit der Gewerkschaft einlassen würde, schien von Anfang an unwahrscheinlich. Dennoch stellten sich die Beschäftigten mit der Gewerkschaft der Kündigungswelle unter großer medialer Aufmerksamkeit entgegen. Für Verdi ging es nicht zuletzt auch darum, in einem modernen Arbeitsfeld Präsenz zu zeigen und Argumente zu liefern, dass auch in der jüngeren Digital- und Techbranche Gewerkschaften eine Rolle spielen können.

Wie die Gewerkschaft mitteilte, habe sich die Geschäftsführung von Tiktok einzig im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen auf eine Einigung mit dem Betriebsrat eingelassen und sich »einer tarifvertraglichen Regelung der Kündigungsbedingungen verweigert«.

»Die Beschäftigten bei Tiktok haben bewiesen, dass auch Social-Media-Plattformen bestreikt werden können.«

Gewerkschaft Verdi

Mit dem Betriebsrat sei nun eine Abfindung von mindestens 17 000 Euro pro Person vereinbart worden, die für Beschäftigte mit längerer Betriebszugehörigkeit höher ausfallen könne. Weitere Zuschläge soll es für Mitarbeiter*innen geben, die Kinder oder eine Schwerbehinderung haben, und für alle, die auf eine Klage gegen ihre Kündigung verzichten. Für Arbeitsverhältnisse, die die Aufenthaltsgenehmigung einiger Kolleg*innen in Deutschland ermöglichen, sei eine verlängerte Kündigungsfrist vereinbart worden.

Ursprünglich hatte die Gewerkschaft in einem Tarifvertrag eine Kündigungsfrist von einem Jahr und eine fast schon astronomische Abfindung in Höhe von drei Jahresgehältern vereinbaren wollen. Dennoch sagt Gewerkschaftssekretärin Kathlen Eggerling: »Für die meisten Kolleg*innen konnten damit deutlich bessere finanzielle Bedingungen durchgesetzt werden, als Tiktok ursprünglich angeboten hatte. Der Widerstand hat sich gelohnt – individuell wie kollektiv.«

Nach mehreren eintägigen Streiks im Sommer hatte Verdi zuletzt Ende September zu einem dreitägigen Warnstreik aufgerufen. Danach war es ruhiger geworden. »Die Beschäftigten bei Tiktok haben bewiesen, dass auch Social-Media-Plattformen bestreikt werden können«, teilt Verdi mit.

Im Laufe der Auseinandersetzung soll Tiktok Mitarbeiter*innen in ihrem Streikrecht eingeschränkt haben. In einer Mitteilung an die Angestellten, die »nd« vorliegt, hatte Tiktok erklärt, dass Kolleg*innen, die ihre Streikteilnahme nicht vorab angekündigt haben, gegen geltendes Recht verstoßen haben sollen. In der Folge seien mit den Betroffenen Einzelgespräche geführt worden. »Niemand muss seine Streikbeteiligung im Vorfeld anmelden«, hatte Verdi-Sekretärin Eggerling damals erklärt.

Tiktok gilt als wirtschaftlich sehr erfolgreiches Unternehmen. Der weltweite Umsatz des chinesischen Mutterkonzerns belief sich im vergangenen Jahr auf 23,1 Milliarden US-Dollar. Der Gewinn von Tiktok Germany lag 2023 bei 5,9 Millionen Euro – 40 Prozent mehr als 2022.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192689.arbeitskampf-massenentlassung-bei-tiktok-in-konkurrenz-zu-einer-ki.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192870.arbeitskampf-in-berlin-streik-bei-tiktok-zweite-runde-gegen-management-und-ki.html