nd-aktuell.de / 07.11.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Regenwälder bekommen eigenen Finanzmechanismus

Beim Gipfel vor der UN-Klimakonferenz wurde ein neuer Fonds aus der Taufe gehoben

Christian Mihatsch
Die Serranía de Chiribiquete ist einer größten Tropenwald-Nationalparks der Welt. Künftig kann Kolumbien für den Schutz Geld bekommen.
Die Serranía de Chiribiquete ist einer größten Tropenwald-Nationalparks der Welt. Künftig kann Kolumbien für den Schutz Geld bekommen.

Vor der 30. UN-Klimakonferenz (COP 30), die am Montag im brasilianischen Belém startet, wurde ein neuer Finanzmechanismus zum Schutz der Regenwälder aus der Taufe gehoben: die Tropical Forest Forever Facility (TFFF)[1]. Wie der Name sagt, soll diese dafür sorgen, dass die Tropenwälder der Erde »für immer« erhalten bleiben. Dazu sollen die 74 Länder mit solchen Wäldern jährlich eine Prämie von vier US-Dollar pro Hektar Regenwald erhalten. Sollte die Satellitenüberwachung der Wälder aber zeigen, dass die Waldfläche geschrumpft ist, werden den Ländern pro Hektar verlorenem Wald 400 bis 800 Dollar abgezogen. So bekommen bestehende Wälder einen finanziellen Wert, was bislang noch fehlt.

Derzeit gibt es rund eine Milliarde Hektar tropischen Regenwalds auf der Welt (zehn Millionen Quadratkilometer). Bei einer Prämie von vier Dollar pro Hektar schüttet die TFFF folglich bis zu vier Milliarden Dollar pro Jahr aus. Um das zu finanzieren, soll ein 125-Milliarden-Dollar-Fonds aufgelegt werden, der das Kapital in Staatsanleihen investiert und so die erforderliche Rendite erwirtschaftet. Der Grundstock sind 25 Milliarden Dollar an Staatsgeld, Brasilien hatte bereits eine Milliarde zugesagt. Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva[2] brachte den TFFF am Donnerstag bei einem zweitägigen Klimagipfel mit rund 50 Staats- und Regierungschefs auf den Weg. Norwegens Regierung kündigte in Belém an, bis zu 30 Milliarden Kronen (2,56 Milliarden Euro) in das neuartige Klimaschutz-Instrument zu stecken. Weitere Zusagen werden einerseits von klassischen Geberländern wie Deutschland oder Großbritannien und andererseits von Schwellenländern wie Indonesien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Singapur und vielleicht sogar Saudi-Arabien erwartet.

Basierend auf dem Grundstock an staatlichen Geldern sollen dann weitere 100 Milliarden Dollar am Kapitalmarkt beschafft werden. Damit das zu günstigen Zinsen möglich ist, akzeptieren die Geberländer, dass ihr Beitrag »nachrangig« ist, also im Fall von Zahlungsausfällen nach anderen Forderungen bedient wird. Wie bei allen Investitionen an Finanzmärkten bestehe also ein gewisses Risiko, sagte João Paulo de Resende vom brasilianischen Finanzministerium: »In ganz außergewöhnlichen Jahren wie der Corona-Pandemie oder der Finanzkrise von 2008 kann es erforderlich sein, Zahlungen auszusetzen.« Doch das werde »viel seltener vorkommen« als bei herkömmlicher Entwicklungshilfe, die von einem Tag auf den anderen wegfallen kann. So erhalten die Länder mit Tropenwäldern eine relativ verlässliche Einnahmequelle.

Die TFFF hat aber auch ihre Kritiker: Der Klimaökonom Max Matthey von der Universität Witten/Herdecke etwa bezweifelt, dass das Finanzierungsmodell hält, was es verspricht. Der Fonds plant, sich Geld zu einem niedrigen Zinssatz zu leihen und dann in höher verzinsliche Anlagen zu investieren, um eine Rendite zu erzielen. Dies könne nicht dauerhaft funktionieren, da höhere Zinsen ein höheres Risiko widerspiegeln, wodurch die Zahlungen des Fonds eben nicht verlässlich seien, meint Matthey und fragt: »Warum sollten wir die jährlichen Regenwaldprämien von der Volatilität der Anleihen aus Schwellenländern abhängig machen?« Notwendig sei eine klassische Finanzierung aus Entwicklungshilfegeldern. Die Grundidee des TFFF unterstützt allerdings auch Matthey: einen finanziellen Anreiz für Länder mit Regenwäldern zu schaffen, diese zu schützen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1194279.klimaschutz-tropenwaelder-sind-zu-retten.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179791.brasilien-erfolgreich-aber-machtlos-ein-jahr-lula.html