Das Fachwerkhaus in der Burgstraße 59 in Salzwedel, lange Zeit ein Modehaus und Zeugnis jüdischen Lebens, soll bald abgerissen werden. Noch zieren Graffiti und Plakate die Fassade – doch das Gebäude könnte schon bald verschwinden. Für den Abriss hat der Altmarkkreis 130 000 Euro im Haushalt 2025 eingeplant.[1] Der Schritt ist umstritten, denn das Haus ist ein prägender Bestandteil des Altstadtensembles.
Die Genossenschaft Transformatives Wohnen[2] (Trawo) schließt sich dem Protest an. Aktivist*innen der außerparlamentarischen Linken in Salzwedel haben die Initiative gegründet, um leerstehende und sanierungsbedürftige Gebäude vor Abriss zu schützen und Neubauten von Immobilienkonzernen zu verhindern.
»Wir haben die Genossenschaft als politisches Projekt gestartet, um unsere eigenen Räume zu stärken und auszubauen«, erklärt Kim Steinle von Trawo. Gleichzeitig sieht sie darin ein antifaschistisches Engagement: »In ländlichen Gebieten, wo linke Perspektiven schwach sind, übernehmen konservative und rechte Gruppen Räume. Dem wollen wir entgegenwirken und gleichzeitig möglichst viele Menschen integrieren.«
Das Haus in der Burgstraße 59 ist ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte. Vier der insgesamt 16 Stolpersteine in Salzwedel erinnern an die jüdischen Bewohner*innen Clara Weil sowie Rachel, Hanna und David Hirsch, die vom NS-Regime deportiert und ermordet wurden. »Ein Abriss würde nicht nur das historische Stadtbild beeinträchtigen, sondern auch einen wichtigen Erinnerungs- und Gedenkort zerstören«, betont Steinle.
Die Genossenschaft versucht nun, Kommunal- und Landespolitikerinnen ins Gespräch zu bringen, um das Haus zu retten. »In einem offenen Brief an Landrat Steve Kanitz, Bürgermeister Olaf Meining, Baudezernentin Kerstin Lingstädt und Bauamtsleiterin Hella Jesper haben wir unsere Gesprächsbereitschaft und konkrete Schritte dargelegt«, erklärt Steinle. Zudem wurde eine Petition gestartet[3], die bislang 391 Unterstützer*innen zählt.
Die Burgstraße 59 ist zudem ein zentraler Ort für Erinnerungsarbeit in Salzwedel. Am 9. November 1938 brannten in Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert und zerstört, Menschen misshandelt, getötet und verschleppt. In der Stadt finden regelmäßig Spaziergänge zu den Orten der Verfolgung und Gewalt statt – das Fachwerkhaus gehört dazu.