Keine Bühne, sondern ein begehbares Wohnprojekt: Das dokumentarische Theaterstück »Innere Häuser« bricht mit klassischen Vorstellungen. Denn hier erzählen vier Frauen, die in ihrem Leben bereits Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit gemacht haben, ihre eigene Geschichte.
In Zusammenarbeit mit dem »Frauen*Salon«, der Wohnungslosenstiftung und »Queer Home« haben Linda Glanz und Marianne Wicha von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch ihre Abschlussarbeit präsentiert – und die vier Protagonistinnen haben den Raum genutzt, um ihre politische Arbeit und ihre Forderungen für eine soziale Gesellschaft einem breiteren Publikum vorzustellen.
»Wir geben viel von uns preis, aber nicht alles – wir müssen uns und andere Menschen auch schützen«, sagt Janina Berthold nach einer Aufführung des Stücks am Samstag zu »nd«. Bertholds Raum im fiktiven Wohnprojekt gleicht einem Zugabteil der Deutschen Bahn, denn während ihrer Zeit der Obdachlosigkeit hat Berthold mit ihrem Deutschlandticket das ganze Land bereist. Im Zug konnte sie schlafen und die Toiletten benutzen und musste sich selbst und anderen gegenüber ihre Notsituation nicht eingestehen.
Bis Bertholds Handy mit Bahnticket und Ausweisen geklaut wurde. Dann musste Berthold doch in eine Berliner Notunterkunft und zu Sozialarbeiter*innen gehen, um Bürgergeld zu beziehen und schließlich eine Wohnung zu bekommen. Stolz zeigt Berthold während der Aufführung auf eine große Leinwand, auf die der Grundriss ihrer Wohnung gemalt wurde: »Das sind sie, meine sicheren vier Wände.«
Um sich politisch für wohnungslose Frauen einzusetzen, ist Berthold beim »Frauen*Salon« und der Wohnungslosenstiftung aktiv. Wichtig ist es ihr, die Erfahrungen der Frauen sichtbar zu machen, weil viele aus Scham lieber unsichtbar bleiben würden – wie Berthold selbst damals während ihrer Zugreisen.
Der »Frauen*Salon« ist eine digitale Plattform zum Austausch zwischen Frauen, die Erfahrungen mit Wohnungslosigkeit gemacht haben. Mitmachen dürfen aber alle Frauen, auch ohne diese Erfahrungen, sagt Manja Starke zu »nd«. Sie hat den Salon vor einem Jahr mitgegründet und erzählt im Theaterstück ebenfalls aus ihrem Leben. Das tue zwar weh, sagt sie – aber: »Es muss raus.«
Ihren Teil der Bühne hat sie als Büro des »Frauen*Salons« eingerichtet und auch in den Forderungskatalog, der am Ende des Stücks präsentiert wird, hat sie das Projekt eingebracht: »In jedem Ort ein Frauen*Salon«, heißt es dort. »Wir brauchen Räume, die wir regelmäßig immer zu selben Uhrzeit nutzen können, damit Frauen zu den Treffen kommen können«, sagt Starke.
Berthold erzählt, dass die Aktivistinnen im Berliner Ortsteil Dahlem vielleicht einen Raum dafür benutzen können. »Das ist schon wichtig. Als ich in der Notunterkunft war, war es sehr schwierig für mich, am Frauen*Salon teilzunehmen«, sagt sie. Denn ohne eigene vier Wände ist es schwierig, ausreichend Privatsphäre für sensible Themen zu haben.
Auch in Köln und in Essen könnten bald physische Räume die Teilnahme an den digitalen Treffen erleichtern, erzählt Starke. Sie findet außerdem, dass Sozialarbeiter*innen wohnungslose Frauen besser dabei unterstützen sollten, Zugang zu digitaler Infrastruktur zu erhalten.
»Das sind sie, meine sicheren vier Wände.«
Janina Berthold Schauspielerin
Kristina Maca hat eine weitere Forderung an Sozialarbeiter*innen: Sie müssen lernen, sensibel und nicht diskriminierend mit trans Frauen umzugehen. Dass das oft nicht der Fall ist, weiß Maca aus eigenen Erfahrungen in Wohnheimen. Ihr Raum im Theater-Wohnprojekt ist ein Filmstudio – dort stellt Maca mithilfe einer weiteren Schauspielerin fiktive und reale Szenen nach.
In einer davon versucht Maca eine Sozialarbeiterin davon zu überzeugen, dass es ihr ermöglicht werden muss, die Frauen-Gemeinschaftsdusche zu nutzen. Sollte das nicht möglich sein, dann brauche sie eine Einzeldusche. Die Sozialarbeiterin reagiert mit Desinteresse, Unverständnis und Rauswurf-Drohungen. »Ja, das hat ziemlich genau so stattgefunden«, sagt Maca nach der Aufführung zu »nd«. Die Berliner Unterkunft sei die schlimmste gewesen, in der sie untergekommen sei. »Das war alles wie im Knast«, sagt Maca.
Das Filmstudio hat Maca als ihren Raum gewählt, weil sie selbst Filmemacherin und Schauspielerin ist. Aktuell arbeite sie an einem Film mit dem Namen »Wild Riders«, angelehnt an den US-amerikanischen Spielfilm »Easy Rider«. »Schauspiel ist für mich eine Methode, mit der ich meine eigene Erfahrung auf die Leinwand oder hier ins Publikum verbannen kann«, sagt sie.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1195335.wohnungsnot-berlin-das-ertraeumte-wohnprojekt.html